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Nachhaltig leben Schluss mit dem Hunde-Dreck! Wie ich versuchte, mit Tier weniger Müll zu produzieren

Hund auf dem Markt
Nachhaltig leben mit Hund? Wir haben es ausprobiert.
© Ulrike Schacht
500 Millionen Hundekot-Tüten pro Jahr, Spielzeug aus Plastik, Futter in Aluminium-Dosen – wer nachhaltiger leben will, hat es als Hundehalter gar nicht so einfach. Oder? Unsere Autorin hat es ausprobiert.
Von Yvonne Adamek

Der Deckel klemmt. Mit der Hundefutterdose in der Hand drücke ich noch fester gegen den Schwingaufsatz des Mülleimers und schmiere mir dabei etwas von den glibberigen Resten an den Finger. Wie ich das hasse! Erst vor drei Tagen habe ich den gelben Sack gewechselt. Jetzt ist er schon wieder voll mit Plastikmüll und einen nicht unerheblichen Anteil an Dosen für den Hund.

Von den gut 35 Kilo Verpackungsmüll pro Kopf landen jedes Jahr knapp achtzig Prozent auf deutschen Müllhalden. Nur das Wenigste davon wird recycelt, der Großteil verbrannt. Allein meine Familie schafft zwei gelbe Säcke pro Woche. Der Gedanke daran macht mich unzufrieden. Bislang habe ich allem schlechten Gewissen zum Trotz nämlich nur Kleinigkeiten geändert. Flüssigseife und Duschgel gegen Seifenstücke ausgetauscht. Meine Äpfel und Tomaten lege ich lose aufs Band. Und natürlich bringe ich zum Einkaufen immer meine eigenen Stofftaschen mit. Während ich mir die Hundefutterreste vom Finger wische, merke ich auf einmal, dass ich bei all dem bislang noch nicht einen Gedanken daran verschwendet habe, wie auch das Leben mit unserem Hund nachhaltiger werden kann. Stattdessen kommt wie selbstverständlich die tägliche Futterration seit jeher aus der Dose, die Leckerlis kaufe ich abgepackt im Supermarkt.

Ich kann mich nicht daran erinnern, wann wir ein Spielzeug gekauft haben, das nicht aus Plastik bestand. Und, zack, schon ist der Mülleimer voll und der ökologische Fußabdruck ungefähr so enorm wie der Baikalsee.

Die Frage ist: Wo fange ich an?

Das soll sich jetzt ändern. Von nun an wird mülltechnisch nur noch gekleckert und nicht mehr geklotzt. Die Frage ist nur: Wo fange ich an? Da noch fünf Futterdosen im Schrank stehen, entscheide ich mich, zuerst die kleinsten Parameter zu ändern: die Hundetüten. Schätzungen zufolge werden in Deutschland mehr als 500 Millionen Beutel pro Jahr verwendet. Auch hier landen die meisten wieder in Müllverbrennungsanlagen. Denn die Plastiktüten mit Hundekot sind schlicht nicht recycelbar. Sie helfen zwar, aus Bürgersteigen keine stinkenden Minenfelder werden zu lassen, sorgen aber auch dafür, dass ein zu hundert Prozent biologisches Produkt zum Entsorgungsernstfall wird. Es ist ein Teufelskreis. Entweder Scheiße am Schuh oder ein scheißschlechtes Gewissen.

Im Internet finde ich Hundetüten aus recycelter Pappe. Die Kartons in den Größen M und L versprechen "eine kontaktlose Aufnahme" der Hinterlassenschaften. Ich empfinde sie allerdings als etwas unhandlich. Vor allem wenn die Wurst auf dem Grünstreifen landet, habe ich große Mühe, sie ordentlich aufzuheben. Am Ende klebt auch noch ein Rest außen am Karton. Bäh! Aber vor allem sind sie teuer: knapp 8 Euro für 25 Beutel. Dafür bekomme ich sonst 500 Stück. Wenn ich bedenke, dass sich Emma im Schnitt dreimal am Tag entleert, sollte ich vorsichtshalber bei meiner Bank nach einer Hypothek für das Haus anfragen.

Ich entscheide mich deshalb ganz simpel für eine Änderung meiner Kackhaufenstrategie. Anstatt immer alles aufzuheben, wäge ich jetzt genau ab, ob eine potenzielle Reintretgefahr besteht oder nicht. Meine Emma hilft verantwortungsvoll mit, indem sie sich so oft es irgend geht in die hintersten Büsche quetscht.

Deutlich mehr verspreche ich mir von Schritt zwei, der Futterumstellung. Einmal pro Woche gibt es auf unserem Markt einen Stand mit frischem Fleisch für den Hund. Allerdings zählt Fleisch leider zu einer der größten Nachhaltigkeitssünden überhaupt. Für ein Kilo Rindfleisch gehen gut 15.000 Liter Wasser drauf. Um mich zu orientieren, treffe ich mich mit der Fachärztin für Tierernährung Dr. Julia Fritz. Auf ihrer Internetseite napfcheck.de bietet sie nicht nur Ernährungsberatung für Hunde an, sondern auch individuell zugeschnittene Ernährungspläne. Ihr gefällt die Idee, nicht nur auf die Inhaltsstoffe der Nahrung zu achten, sondern auch auf deren Nachhaltigkeit.

Zuerst analysieren wir Emmas bisheriges Dosenfutter. Nichts Hochwertiges, aber dafür voll mit allen Nährstoffen, die ein Hund so braucht. "Die Regeln für Alleinfutter sind etwas kompliziert", erklärt mir Julia Fritz. "Es ist praktisch egal, wie viel hochwertiges Fleisch ich da hineinpacke. Am Ende muss die Nährstoffversorgung stimmen. Und die ist beim Hund deutlich anders als beim Menschen."

Zu den wichtigsten Nährstoffen zählen Eiweiß, Mineralstoffe wie Kalzium oder Phosphor, Kohlenhydrate, Ballaststoffe, Fette und Vitamine. Klingt erst mal wahnsinnig kompliziert, und ich sehe mich schon die Futterdosen gegen Plastikdosen mit Nahrungsergänzungsmitteln ersetzen. Ciao, Müllvermeidung!

Beruhigung durch die Tierärztin

Doch die Tierärztin beruhigt mich. "Grundsätzlich kann ein Hund fast genau das Gleiche essen wie wir Menschen." Und viel Fleisch muss es nicht sein. "Joghurt ist ebenfalls ein super Eiweißlieferant. Man kann also guten Gewissens die Fleischration zugunsten von Quark, Joghurt oder körnigem Frischkäse reduzieren." Für die nötige Energie sorgen Haferflocken und Kartoffeln. "Wenn man das alles mit etwas Gemüse und einem Schuss Pflanzen- und Fischöl mischt, hat ein Hund fast alles, was er braucht." Für den Rest soll es mittlerweile handliche Mischungen geben. Tatsächlich entdecke ich ein paar Tage später eine Auswahl im Hundefutterladen meines Vertrauens. Ich greife beherzt zu: Leinöl in Glasflaschen, Lachsöl und eine große Dose Nahrungsergänzungspulver, leider aus Plastik. Aber dafür scheint es bislang keine Alternative zu geben. Mit 30 Euro liege ich knapp unter dem, was ich sonst im Monat für Futter ausgegeben habe. Dafür soll ich laut Verkäuferin auch deutlich länger damit auskommen.

Auf dem Weg nach Hause machen Emma und ich noch einen Abstecher über den Markt, um saisonales Gemüse aus der Region wie Möhren, Kartoffeln und Brokkoli zu besorgen. Den Hundefutterstand lassen wir aus. Dafür kaufen wir zwei Hähnchenschenkel vom Biohof aus dem Dorf nebenan. Schenkel und Gemüse kosten mich keine zehn Euro. Was für ein Schnapper! Total beschwingt und super motiviert bummeln Emma und ich nach Hause und lassen dabei noch einen winzigen Hundehaufen im Gebüsch liegen. In ein paar Tagen hat der sich von selbst aufgelöst.

Nach dem Vergnügen kommt die Arbeit. In einem Topf lasse ich zwei Kartoffeln, eine große Karotte und etwas Brokkoli zusammen mit dem Hähnchenschenkel weich kochen. Danach verrühre ich alles mit einem Schwung Haferflocken und einem halben Glas Joghurt, die Biovariante natürlich. Zum Schluss gebe ich noch etwas von den Ölen dazu. Nach einer Viertelstunde bin ich fertig. Während der ganzen Zeit hüpft Emma aufgeregt zwischen meinen Beinen herum. Sie merkt wohl, dass es hier um sie geht. Ich halte ihr den Löffel hin, damit sie probieren kann. Ratzfatz strahlt der blitzeblank.

Obwohl ich mir den Wechsel von Dose auf Selbstgemachtes am kompliziertesten vorgestellt habe, geht mir dieser Teil leichter von der Hand als die missglückte Tütenumstellung. Die gekochte Portion reicht bei Emmas Größe fast eine ganze Woche. Die Zutaten lassen sich mit den Wocheneinkäufen locker besorgen. Nie wieder muffige Dosen im gelben Sack! Allein dafür hat sich dieses Experiment gelohnt. Wenn jetzt auch noch die Leckerlis so einfach selbst zu machen sind …

Sind sie! Nach etwas Internetrecherche finde ich auf dem Blog moeandme.de ein Keksrezept, das nicht nur einfach klingt, sondern auch noch ganz ohne Hack, Leberwurst oder Thunfisch (die Treibnetze und die Delfine!) auskommt. Stattdessen kommen Haferflocken, Äpfel, Mehl und Sonnenblumenöl hinein. Das ist so einfach, dass ich die Hauptarbeit von meinem dreijährigen Sohn erledigen lasse. Und so nicht nur etwas für die Umwelt, sondern auch noch für das Familybonding tue. Lecker sind die Dinger dann auch noch – finden Hund und Sohn. Lebt sich nicht schlecht als Neu-Öko.

Jetzt fehlt nur noch ein Punkt auf meiner Checkliste gegen das schlechte Gewissen: das Spielzeug. Wie bereits erwähnt, waren Emma und wir da bislang große Plastikfans. Vor allem weil es am längsten hielt. Ob da etwas Selbstgemachtes mithalten kann? Um nachhaltig zu bleiben, sind meine Möglichkeiten durchaus beschränkt. Aber mir hilft mein zwölfjähriges Teenager-Ich. Früher habe ich nämlich passioniert Freundschaftsarmbändchen geknüpft. Und die mussten für die Best Friends Forever ja ewig lange haltbar sein. Bestimmt lässt sich das Flechtmuster auf größere und gröbere Stoffe übertragen.

Für ein paar Minuten Spaß reicht es!

Kurzerhand klaue ich dem Mann eine Jeans aus dem Schrank, die ihm sowieso noch nie gestanden hat, und fange an zu schneiden und zu flechten. Aus ziemlich langen Stoffstücken kommt zu meiner Überraschung ein ziemlich kurzes Zerrspielzeug heraus. Das habe ich mir irgendwie anders vorgestellt. Emma ist dennoch begeistert, als ich es ihr im Garten vor die Nase halte. An den Ecken löst sich das Flechtwerk zwar ab und zu, aber es lässt sich genauso schnell wieder festziehen. Für ein paar Minuten Spiel und Spaß reicht es allemal.

Ich bin zufrieden. Mit Sicherheit sind meine ersten Gehversuche in Sachen nachhaltige Hundehaltung ausbaufähig. Besser geht es schließlich immer. Dafür haben sich die bisherigen Änderungen nur minimal auf meinen Alltag ausgewirkt. Sowohl der befürchtete Kochstress als auch komplizierte Einkaufslisten sind ausgeblieben. Genau wie früher die Dosen kann ich Emmas Essen jetzt einfach auf dem Markt oder im Supermarkt mitbesorgen. Die Öle und Nahrungsergänzungen, die sie zusätzlich braucht, reichen fast drei Monate. Das ist also weder kompliziert noch teuer.

Und Emma? Die ist mindestens genauso begeistert wie ich. Der Napf war noch nie so schnell leer, die Kekse sind nach wie vor der Renner und ihr Fell glänzt durch die hochwertigen Nährstoffe so seidig-weich, dass man sie fast für einen jungen Hund halten könnte. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, im restlichen Alltag noch nachhaltiger zu werden.

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