Oh je, was ist los mit der Jugend von heute?
Intelligent. Nett. Kompatibel.
So beschreibt ein Team von Wissenschaftlern die 10- bis 18-Jährigen in unserem Land. Und wenn man die Studienleiter fragt: "Ist diese Jugend wirklich so angepasst und langweilig? Ist das nicht schrecklich?" Dann antwortet Sabine Maschke, Kinder- und Jugendforscherin an der Universität Gießen, ganz entsetzt: "Nein. Das ist eine sehr sympathische junge Generation, die smart versucht, das Leben zu meistern."
6000 Kinder und Jugendliche haben sie in Nordrhein-Westfalen befragt, es waren kaum Rebellen darunter. Auflehnen muss man sich ja auch nicht mehr, es stehen so viele – fast schon zu viele - Wege offen.
Das Leben ist ein App-Shop
"Absolutely smart!", heißt das Buch über die Studienergebnisse. Es wird an diesem Donnerstag veröffentlicht, stern.de durfte es schon vorher einsehen. Wer liest, was die Schüler über Familie, Schule, Träume und Gesellschaft erzählen, merkt: Sie versuchen einen Spagat.
Einerseits wissen sie, dass sie flexibel sein müssen, bei der Suche nach einem Job und Hobbys, sogar bei beim Auswählen von Markenklamotten, weil sich so schnell ändert, was angesagt ist. Sie nutzen das Leben wie einen App-Shop. Genauso wie sich kleine Zusatzprogramme schnell auf das Handy laden und wieder löschen lassen, genauso schnell orientieren sich die Jugendlichen im Leben neu, suchen sich überall das heraus, was sie weiterbringt. Als Manager ihres Lebens werden sie schneller erwachsen als die Generationen vor ihnen. Die meisten fühlen sich nicht mehr als Kinder, sobald sie ihr erstes Smartphone besitzen.
Auf der Suche nach Vorbildern
Und andererseits brauchen sie Halt. "Sie suchen in all der Schnelligkeit nach Stabilität, Ordnung und Vorbildern", sagt Maschke. "Und zwar in einem Ausmaß, das uns wirklich überrascht hat." Seit der Vorgängerstudie vor zehn Jahren ist das Vertrauen in Erwachsene wie Lehrer oder Ärzte gestiegen. Aber über allem steht die Familie, Mutter und Vater als wichtigste Ratgeber, auf die man sich verlassen kann.
Weit entfernt ist das alles von der Spaßgesellschaft, die viele schon heraufbeschworen haben, sagen die Forscher. Die Jugendlichen akzeptieren die Regeln der Gesellschaft und versuchen mit großer Leistungsbereitschaft in ihr erfolgreich zu werden. Drei Viertel der 13- bis 18-Jährigen wollen Abitur machen. So großen Stellenwert hatten Abschluss, Noten und Lernen noch nie.
Leistung. Familie. Verlässlichkeit. Diese Werte sind ihnen also wichtig.
Viele neue CDU-Wähler?
Klingt fast wie eine politische Aussage. Klingt, als könnte sich die CDU bald über noch mehr junge Wähler freuen. Schon bei dieser Wahl bekam sie so viele Stimmen von Erstwählern wie nie zuvor: 30 Prozent. Und in der Studie antworteten 33 Prozent, dass sie der Bundeskanzlerin (Angela Merkel, CDU) sehr vertrauen. Bei der letzten Studie 2001 gab es für den Bundeskanzler nur 12 Prozent (Gerhard Schröder, SPD). Aber nein, sagt Maschke, nur weil Kinder und Jugendliche solche Werte haben, heißt das noch lange nicht, dass sie konservativ sind. "Sie interpretieren diese Werte neu." Familie kann zum Beispiel vieles sein: der Stiefvater, die Patchwork-Gemeinschaft, das Haustier. Einfach der Rückhalt, den die Jugendlichen brauchen, um die Anforderungen zu erfüllen.
Und die sind höher als je zuvor: "Du hast 1000 Möglichkeiten, also nutze sie!" So beschreibt Forscherin Maschke den Druck, der auf den Jugendlichen lastet. "Sie versuchen das, aber es ist viel verlangt." Vielleicht zu viel. Viele Jugendliche klagen über Kopfschmerzen, Nervosität und Ihnen ist bewusst, dass sie an all den fremden und eigenen Ansprüchen scheitern könnten. Es gibt ein paar Sätze, die das zusammenfassen. Ein elfjähriges Mädchen hat sie im schriftlichen Teil der Studie aufgeschrieben. "Ich wünsche mir so meine Zukunft: (...) dass ich meinen Realabschluss habe und noch, dass ich mein Abitur mache. Meine Wünsche sind auf die Uni gehen! (...) Und meine Ängste sind, dass ich die Schule nicht schaffe. Tschüss :)"