Für kurze Zeit war die Welt in heller Aufregung: Am 18. April 2021 kündigten zwölf europäische Fußballvereine die Gründung einer neuen Super League an. Es dauerte keine 48 Stunden, ehe die ersten Clubs dem öffentlichen Druck nachgaben, ihre Teilnahme zurückzogen und das Projekt damit zum Scheitern verurteilten.
Bei der Protestaktion #allesdichtmachen ging es deutlich schneller. Unter diesem Hashtag hatten auf Initiative einer Münchner Agentur ursprünglich mehr als 50 Schauspielerinnen und Schauspieler gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung protestieren wollen und dazu satirisch gemeinte Videos veröffentlicht.
Viele dieser rund einminütigen Filmchen kritisieren jedoch nicht die bisweilen erratischen Maßnahmen der Politik, sondern greifen Bürger an, die sich an die Regeln halten. Ihnen wird in einigen Beiträgen implizit Untertanengeist und das Fehlen einer eigenen Meinung unterstellt.
Der Applaus ließ nicht lange auf sich warten: Insbesondere Corona-Leugner, Verschwörungstheoretiker und zum rechten Rand gehörende Denker feierten die Aktion. Daran ändert auch der vielfach mitgepostete Hashtag #FCKNZS nichts.
Die ersten Beteiligten rudern zurück
Ob sich die Künstlerinnen und Künstler das vorher so gut überlegt haben? Jedenfalls knickten die ersten Beteiligten schon nach wenigen Stunden ein. Den Anfang machte Heike Makatsch: Sie löschte ihr Video, in dem sie trotzig behauptete, Pizza-Boten den Einlass zu verwehren - als verbiete das irgendein Gesetz. Am frühen Freitagmorgen publizierte sie eine Erklärung auf Instagram, in der sie sich "von rechtem Gedankengut und rechten Ideologien" distanzierte und um Verzeihung bat.
Weitere Künstler sollten folgen: Jan Josef Liefers sah sich zu einer Klarstellung genötig, in der er "Nähe zu Querdenkern" zurückwies. Der österreichische Schauspieler Manuel Rubey berief sich in einem Videostatement darauf, lediglich einen Beitrag "über die Bedeutung der Kunst" gemacht zu haben. Die anderen Filme kenne er nicht. Auch Meret Becker wollte ihr Video nicht mehr unkommentiert lassen und sprach nun von einer "zu zynisch gestalteten Kunstaktion".
Warum Menschen beschimpfen, die sich an die Gesetze halten?
Mittlerweile hat auch Kostja Ullmann einen Rückzieher gemacht und auf Instagram eine Stellungnahme veröffentlicht, dass er veranlasst habe, seinen Beitrag zurückzuziehen. Pasquale Aleardi bat via Instagram um Entschuldigung, die sich durch sein Video verletzt oder vor den Kopf gestoßen fühlen.

Es werden vermutlich in den nächsten Stunden noch weitere Distanzierungen oder Richtigstellungen kommen. Man fragt sich jedoch, wieso sich das die mit Medien und Öffentlichkeit so vertrauten Stars nicht vorher überlegt haben. War es wirklich nicht absehbar, aus welcher Ecke der Applaus kommen wird? Und wenn es ihnen wirklich um die Kunst ging: Warum haben sie dann nicht eine Spendenaktion für notleidende Künstler initiiert – anstatt Menschen zu beschimpfen, die sich an die Gesetze halten?
Das Recht auf freie Meinungsäußerung gilt für alle
So bleiben einen Tag später viele Fragen offen. Man sollte jetzt aber auch nicht den Stab brechen über Künstlern, die nicht mehr gemacht haben, als ihr Recht auf freie Meinungsäußerung in Anspruch zu nehmen. Man darf ihre Meinung kritisieren – doch Forderungen, dass die Beteiligten künftig keine Rollen mehr bekommen mögen, sollte jeder demokratisch gesinnte Bürger entschieden entgegentreten.
Gesundheitsminister Jens Spahn sagte vor einiger Zeit: "Wir werden in ein paar Monaten wahrscheinlich viel einander verzeihen müssen." Ein kluger Satz: Er betrifft nicht nur die Politiker, sondern auch Künstler. Mögen wir ihn beherzigen.