Carlos Santana "Ich habe von Steffi Graf gelernt"

Er ist einer der begnadesten Rockmusiker der Welt: Carlos Santana war jahrelang von der Bildfläche verschwunden und taucht jetzt mit einem neuen Album wieder auf. Im stern.de-Interview spricht er über seine Auszeit, seine Familie und Steffi Graf.

"Mr. Santana, Sie waren eine ganze Zeit lang verschwunden. Jetzt bringen Sie mit Ultimate Santana" endlich eine neue CD auf den Markt. Warum die lange Pause?

Ich hatte einfach das Gefühl, mich mal wieder neu entdecken zu müssen. Manchmal ist es wichtig im Leben, einfach wegzugehen, keine Angst vor den Konsequenzen zu haben.

Haben Sie jetzt wieder Lust auf Musik?

Ich habe die Liebe für die Musik ja nie verloren. Aber im Leben dreht sich doch alles immer nur um Liebe. Ich liebe meine Kunst. Und ich sehe Musik so wie ich auch meine Ehe sehe.

Das müssen Sie uns erklären.

Es ist ein Heiligtum, verstehen Sie das? Musik ist für mich nicht Showbusiness. Es ist mehr. Es ist wie ein natürliches Phänomen für mich. Mit meiner Musik besitze ich die Fähigkeit, Menschen zu Tränen zu rühren, sie zu bewegen. Sie tanzen nach meiner Musik, sie lachen mit meiner Musik. Das ist viel mehr als nur Entertainment. Das ist ein großartiges Gefühl.

Was für eine Bedeutung hat Musik heute in unserer Gesellschaft?

Musik vibriert durch das Leben. Musik hat eine Seele. Es ist ein Ort, an dem du universellen Frieden finden kannst. Lausche Coltraine oder Marley, dann weißt Du, was ich meine. Es ist ein Friede, dem Palästinenser genauso trauen zu können wie Juden. Wenn Du die Güte, die Leidenschaft und die Ruhe von Musik spürst, dann sind alle unterschiedlichen Meinungen wie weggefegt.

Sie wirken immer sehr abwesend, wenn Sie auf der Bühne stehen. Fast so, als seien Sie in Trance. Was geht Ihnen da durch den Kopf?

Das weiß ich nicht. Ich kann es nicht erklären. Ich muss mich manchmal selbst wundern, wenn ich mich in Videos sehe. Wer ist der Typ, der da auf der Bühne steht, frage ich mich dann (lacht). Es ist eine andere Person. Ich fühle mich wie ein Boot, das eine Botschaft übermittelt. Aber du kannst nicht die ganze Zeit in diesem Stadium sein. Du musst auch mal wieder auf die Erde zurückkommen, ein normales Leben führen (lacht). Vielleicht mache ich auch deshalb öfter mal Pause.

Was macht Sie wütend?

Wenn jemand weiß, dass er im Unrecht ist, und es trotzdem tut. Und ich hasse es zu hassen. Ich habe mich in diesem Jahr viel mit den Themen Liebe und Güte beschäftigt. Ich habe von Menschen wie dem Dalai Lama, Desmond Tutu oder Mutter Teresa gelernt. Aber auch von Andre Agassi und Steffi Graf.

Steffi Graf?

Ja, sie ist solch ein liebevoller Mensch, die sich zusammen mit ihrem Mann um das Wohl unseres Planeten kümmert. Das finde ich großartig. Ich liebe es, wenn Menschen vergeben können, wenn Sie Mitgefühl zeigen. Steffi Graf ist ein solcher Mensch.

Haben Sie das Gefühl, dass Sie ein Mensch sind, der eigentlich in die 70er Jahre gehört?

(lacht) Warum? Weil ich alte Hippie-Weisheiten befolge? Nein, ich habe schon als Kind so empfunden. Die spirituelle Erwachung explodierte zwar in den 60er und 70er Jahren, aber ich habe schon immer diese Ideale gesucht. Als die Beatles "All you need is Love" gesungen haben, da wusste ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Ich habe gemerkt, dass Liebe tatsächlich einen Unterschied machen kann auf diesem Planeten.

Was ist Ihnen persönlich wichtiger, eine erfolgreiche Karriere oder eine glückliche Familie?

Ohne Zweifel, eine glückliche Familie. Du musst alles dafür tun, dass Deine Ehe mit Liebe gefüllt ist. Es spielt keine Rolle, wie häufig Du Deinen Kindern die Windel wechselst oder wie oft Du ihm wieder auf die Beine hilfst, wenn es fällt. Du tust es einfach. Das ist ganz normal.

Wie schafft man es eigentlich, mit beiden Beinen auf dem Boden zu bleiben, wenn man so berühmt ist wie Carlos Santana?

Ich schaue mir diesen Rummel um meine Person nicht an. Gott hat mir diesen speziellen Bonus in die Wiege gelegt. Wenn ich eine Gitarre in die Hand nehme, dann ist es für mich immer wieder so, als sei es das erste Mal. Es ist so, als sei ich zwölf Jahre alt und würde zum ersten Mal die Sensation meines ersten Kusses spüren. Du bist nervös, aufgeregt. Es ist ein tolles Gefühl. Eines, das ich hoffentlich niemals verlieren werde.

Interview: Frank Siering

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