Gelbe Lederhosen trägt der Protagonist in der Schwulen- und Mode-Satire "Brüno" oder ein Plüschpeniskostüm. So weit ist der Berliner Modeschöpfer Harald Glööckler noch nicht, aber dafür hat er sich seine Krawatte so gebunden, dass sie ihm wie ein Rechtsabbiegerschild vom Hals absteht. Das sieht auch schön doof aus.
Herr Glööckler, was soll der Quatsch? "Ich finde Krawatten sonst so spießig!" Sie tragen also eine Trotzkrawatte? "Ich trage eine Kreativkrawatte!" Streng genommen ist das sein Lebensmotto.
Glööckler und seine Krawatte sitzen im Showroom von Glööcklers Modelabel "Pompöös" in Berlin-Charlottenburg. Glööckler ist solariumgebräunt und sehr freundlich. Er hat tätowierte Augenbrauen, viel Schminke im Gesicht und sieht aus wie eine Mischung aus Flaschengeist ("Aladin und die Wunderlampe" in der Disney-Version) und Rockmusiker Prince (circa "Purple Rain"-Phase). Er sah auch schon aus wie ein Disco-Maharadscha oder wie Kevin Kurányi unter Starkstrom.
Das Original des Home-Shopping-Kanals
Bis eben war Glööckler vor allem den Leuten ein Begriff, die tagsüber oder nachts den Home-Shopping-Kanal HSE24 gucken. Dort verkauft er seit ein paar Jahren live seine Kollektionen mit dem Kronenlogo: Abendkleider, Hausanzüge, T-Shirt-Sets, aber auch Bauchkontrollslips und Tischdecken, meist eher preiswert, so zwischen 17,99 und 39,98 Euro. Seit aber bekannt wurde, dass der "Brüno"-Erfinder Sacha Baron Cohen 2007 mal einen Abend lang zum Gay-Behaviour-Studium bei Glööckler vorbeikam, bekommt der doppelt so viele Anfragen wie sonst. Alle wollen wissen, wie viel Glööckler in Brüno steckt - und ein paar Gesichtsausdrücke und Imagekampagnen scheint sich Cohen tatsächlich von Glööckler abgeschaut zu haben.
Mit Cohen sei's supernett gewesen, sagt Glööckler; den Film habe er sich allerdings noch nicht angeguckt. "Ich geh nicht so gern raus, mag den ganzen Trubel nicht."
Gar nicht überraschend! Denn so extrovertiert Glööckler sich auch gibt, viel von seiner Barock- und Rokoko-Umgebung hat etwas von einem seltsam abgeriegelten Traumpalast. Glööckler hat sich eine Art Puppenstube eingerichtet, in der das Früher wichtiger scheint als das Heute, mit ihm als Prinzen und mit seinem Lebensgefährten Dieter, Anfang 60, als First Lady. Ist es eher 1984 oder 1784 bei ihm? 2009 auf keinen Fall.
Kleidung für die Ausgestoßenen
Für seine Mode gilt dasselbe. Sie trägt so dick auf wie das tröötende Doppel-Ö, das er sich für Firma und Nachnamen zugelegt hat. Statt für Magermodels entwirft Glööckler für die aus der Haute Couture Ausgestoßenen: Frauen mit Kleidergrößen von 40 bis 54, die sich gern fühlen wollen wie Lady Di oder Farah Diba im schönen Persien, aber ohne sich zu verschulden. Manche Teile sollen sich 16.000-mal verkauft haben. Gina Lollobrigida und Bonnie Tyler sind angeblich Fans, doch stünde dagegen plötzlich Kate Moss vor der Tür und brauchte was für ein Essen mit Wowereit, müsste Glööckler lange überlegen - oder ihr schnell seinen "Joker der Woche" überreichen, eben diesen Hausanzug aus Baumwollviskose für 69,98 Euro.
In Modeblättern wie "Vogue" existiert Glööckler nicht. Für sie ist sein Tele-Shopping das Ende allen Stils - Mode-Prekariat sozusagen. Er selbst sieht darin die Zukunft: "Schauen Sie doch, wie ein Laden nach dem nächsten dichtmacht!" Trotz Krise läuft es bei ihm gut, fast besser als sonst. Glööcklers Sachen hängen in Dubai in 16 Shopping Malls; jetzt tritt er im japanischen Fernsehen auf, in England startet er demnächst auf dem Sender QVC London. Er wird dann um die 30 Stunden pro Monat in brütend heißen Ministudios in drei Ländern stehen und die Schnäppchenzeit ausrufen, während er panisch darauf achtet, dass ihm die Schminke nicht verläuft. Dass sein Mix aus Marke und Karikatur intakt bleibt, ist noch wichtiger als alle Kleider und Tischdecken zusammen.
Es war nicht immer so
Vielleicht mag er deshalb nicht sagen, wie alt er ist. Um die 40, stand mal irgendwo. Kommt hin. Bloß Glööcklers braune Augen wirken älter. Sie verweisen auf die Zeit, als noch nichts pompöös war. Als junger Teenager sah er, wie der Vater, Metzger in der Nähe von Stuttgart, die Mutter so verprügelte, dass sie die Treppe runterfiel und später starb. Weil Glööckler ihr vorher noch versprechen musste, Papa nicht an die Polizei zu verraten, gab es nie ein Verfahren.
"Man hat mir die Kindheit gestohlen", sagt der Mode-Glööckler auf dem Dach seines Puppenhäuschens in Charlottenburg. "Davon hol ich mir jetzt was zurück."
Möglich, dass ein Film über das Leben des Harald Glööckler viel mehr über die Welt der Kleidungen und Verkleidungen der Menschen verraten würde als jeder Witz in "Brüno".
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