Königin Beatrix 70 Jahre und kein bisschen leise

Von Albert Eikenaar, Amsterdam
Königin Beatrix hat Geburtstag, einen runden noch dazu. Doch während die Familie feiert, begehrt das Volk auf: Vielen Niederländern agiert ihr Staatsoberhaupt zu wenig demokratisch. Sie wollen Beatrix' monarchisches Walten daher auf zeremonielle Pflichten beschränken.

Es sind ungezwungene Abende für die ganze Familie, wenn Königin Beatrix der Niederlande ihren Geburtstag feiert - mit köstlichem Essen aus der eigenen Hofküche und vorzüglichen Weinen. Das Protokoll ist weitgehend außer Kraft gesetzt, man gibt sich salopp, kleidet sich leger. Lediglich beim "Dinner" muss die übliche Ordnung eingehalten werden.

Am 31. Januar ist es wieder so weit: Beatrix wird stolze 70 Jahre alt und die Oranier zelebrieren diesen Tag im kleinen Kreis mit wenigen ausgesuchten Freunden. (Offiziell und mit dem Volk feiert die Königin ihren Geburtstag am 30. April, dem Koniginnedag. Dieser Nationalfeiertag ist eine Huldigung an ihre Mutter Juliana, die an diesem Tag Geburtstag hatte.) Viel sickert nie durch über das festliche und ziemlich feucht-fröhliche Familientreffen. Beatrix weiß ihr Privatleben zu schützen. Wer gegen ihre Omertá verstößt, muss mit ihrem Zorn und ewiger Verbannung vom Hofe rechnen. Und das will niemand riskieren.

Der bürgerliche Dr. Edwin de Roy van Zuydewijn wurde einmal zum königlichen Geburtstagsfest gebeten. Allerdings nur, weil er mit einer Nichte der Fürstin, Prinzessin Margarita, verlobt war, das galt als Eintrittskarte. Die Einladung kam jedoch nicht von Herzen, denn die Königin mochte den redegewandten Edwin nicht. Eifersucht mag mit im Spiel gewesen sein, denn keiner ihrer eigenen Söhne oder Neffen hatte es im Studium so weit gebracht wie der Wissenschaftler, der seine Promotion in Cambridge schrieb.

Kleine Spielchen bei Hofe

Nachdem er sich mit der Monarchin überworfen hatte, erzählte er einem niederländischen Magazin sowie dem stern von seinen Erlebnissen mit "Tante" Beatrix. Kenner der Gepflogenheiten im Palast hatten ihn vorgewarnt: "Die Königin genießt es, Menschen, die sie ablehnt, zu verunsichern. Sieh zu, dass du nichts in den Händen hältst. Wenn du rechts ein Glas oder eine Zigarette in der Hand hast, taucht sie plötzlich auf. Und du weißt dann nicht, wie du es anstellen sollst, sie formvollendet zu begrüßen. Solche verwirrenden Momente machen Beatrix Spaß."

Bei Edwin de Roy van Zuydewijn, der ohnehin schon als eine Art Persona non grata galt, gelang ihr dieses schelmische Manöver nicht. Vorgewarnt wartete er ab und sah, wie die Königin ihn hinter einer Säule stehend beobachtete. Die Zeit verstrich, es passierte nichts. Schließlich kam Beatrix auf ihn zu und begrüßte ihn kühl und distanziert. Er hatte die Hände frei. Edwin wusste: "Ich habe sie ausgetrickst. Aber sie hat sich absolut nichts anmerken lassen." Er machte sich damit nicht beliebter.

Bis zu Beginn dieses Jahrhunderts war Beatrix unumstritten - als Regierungschefin, Staatsoberhaupt, Nummer eins des Oranienclans. Doch neuerdings zeigen sich Wolken am königlichen Herrscherhimmel. Viele Niederländer wollen ihr laut Umfragen die staatsrechtlichen Funktionen wegnehmen - nach skandinavischem Modell. Die Fürstin würde dann nur noch zeremonielle Pflichten erfüllen, wäre entbunden von der politischen Macht, die sie jetzt hat und die manch einer für ziemlich undemokratisch hält.

Beatrix bleibt hartnäckig

Im Kern besagt das heutige konstitutionelle System, dass Beatrix einerseits Vorsitzende der Regierung ist, andererseits aber Unverletzlichkeit genießt. Die Minister sind für ihr Tun und Lassen politisch verantwortlich. Alles, wirklich alles, was sie äußert oder vorträgt, muss mit den politischen Machthabern abgestimmt werden. Auf diese Weise passieren keine Pannen und die Fürstin vertritt keine andere Meinung als ihre Minister. Doch man munkelt, dass Beatrix sehr hartnäckig sein kann, wenn sie ihren Standpunkt verteidigt. Bei den Staatsgeschäften führt das manchmal zu heiklen Situationen. Sie gibt nicht nach, wenn sie meint, dass ein Gesetzesentwurf nicht gut durchdacht ist.

Hinter den Kulissen übt Beatrix mit viel Überzeugungskraft ihren Einfluss aus. Manch unerfahrener Minister stolpert über ihre zähe Beharrlichkeit und lässt sie ihren Willen durchsetzten. Schließlich hat sie Erfahrung mit sämtlichen anfallenden Regierungsaufgaben: 10.000 Akten pro Jahr muss sie unterschreiben. Und das tut sie nicht, ohne sie gelesen zu haben. Sie will wissen, was sie unterschreibt. Vielleicht kennt sie nicht alle Einzelheiten, sicher jedoch die wichtigsten Punkte eines jeden Papiers.

Es würde zu weit gehen, zu behaupten, dass der Status der Oranier und ihre staatsrechtliche Bedeutung auf der Kippe stünden. So weit ist es noch lange nicht. Allerdings muss das bislang unangefochtene Königshaus jetzt mit mehr Kritik der Bürger rechnen. Nicht nur traditionell von links - auch die rechte Seite der Gesellschaft meldet sich zu Wort. Auf der Beliebtheitsskala sind die Oranier aktuell peinlich abgerutscht.

"Königliches Geschwätz"

Die Königin hatte in der letzten Weihnachtsansprache gerügt, dass ihr eigenes Volk zu wenig Respekt vor den modernen Migranten zeige. Das führte zu lebhaften Diskussionen, vorneweg geführt von Populist Geert Wilders, der Majestät vom Thron stoßen möchte und angeblich, laut diversen Medien, eine Gesetzesnovelle für die Entmachtung vorbereitet. Seiner Auffassung nach verkünde Beatrix "königliches Geschwätz". Ob die Suppe so heiß gegessen wird, wie sie nun aufgetischt ist, bleibt unklar. Fest steht, dass die Oranier zukünftig vorsichtig taktieren müssen, um ihre Monarchie vor dem Untergang zu retten.

Republikaner, die schon länger für die rigorose Beschneidung der Machtbefugnisse sind, glauben zu wissen, wann der Zusammenbruch stattfinden könnte: Wenn Prinz Willem-Alexander das Amt seiner Mutter übernehmen wird. "Das ist genau der richtige Moment", meint Professor Jessurun d' Oliveira. "Das dauert noch ein Weilchen. Währenddessen kann die anti-monarchistische Volksbewegung anwachsen, bis die Erschütterung so stark ist, dass der Boden unter den Oraniern bricht und sie den Bach runtergehen."

print

PRODUKTE & TIPPS