Mark Spitz bleibt unerreicht. Dennoch ist Schwimmstar Michael Phelps mit sechs Mal Gold und zwei Mal Bronze in die Dimensionen seines amerikanischen Landsmanns vorgedrungen. IOC-Präsident Jacques Rogge erklärte den perfektesten Schwimmer der Gegenwart zu einer "Ikone" der Spiele von Athen, bezeichnete ihn als "ganz großen Champion". Doch nicht nur im Becken avanciert Phelps zum Superstar. Von den amerikanischen Medien wird er hofiert, von jungen Teenies geliebt. Dem gutaussehenden Amerikaner aus Baltimore im US-Bundesstaat Maryland flogen schon vor Beginn der Olympischen Spiele die Frauenherzen zu.
Keine Zeit für eine Freundin
Viel Zeit für eine Freundin bleibt dem 19-Jährigen jedoch nicht. "Ich stehe um 6.15 Uhr auf, schwimme eineinhalb Stunden, esse und gehe zurück ins Bett. Dann stehe ich wieder auf, schwimme, esse und gehe ins Bett. Hmm. Wenn ich das so am Stück aufzähle, fällt mir auf, dass mein Leben nur aus Essen, Schlafen und Schwimmen besteht", so Phelps, der derzeit Single ist.
Ab und an bricht er aus dem Schwimmalltag aus, gönnt sich eine Pause und geht auf Partys. "Und ich glaube wirklich, dass ich mehr Zeit dafür habe, wenn Olympia vorbei ist. Auch für eine Freundin." Keinen Zweifel lässt Phelps jedoch daran, dass der Sport für ihn im Vordergrund steht. "Das hat einfach Priorität. Auch vor Mädchen. Alles, was meine Freunde zurzeit tun, kann ich auch später mal machen. Im Grunde versäumt man ja nicht so viel."
Das Geheimnis seines Erfolges
Phelps' Zielstrebigkeit ist offenbar auch das Geheimnis seines Erfolges. Sponsor "Speedo" hat ihm eine Million Dollar versprochen, wenn er sieben Goldmedaillen erschwimmt und damit den Rekord von Mark Spitz bricht. Dafür reichte es in Athen zwar nicht, dennoch versteht es der Teenager, sich gekonnt zu vermarkten.
Alle großen Sportmagazine der USA, darunter die renommierten "Sports Illustrated" und "ESPN Magazine", wählten den Schwimmer zum Titelmodell, ebenso das Nachrichtenmagazin "Time". Der Fernsehsender NBC, der in den USA die Olympiarechte besitzt, hat seine Werbekampagne ganz auf den 19-Jährigen zugeschnitten und will mit dem Coup vor allem junge Zuschauer locken. Auch andere Unternehmen setzen auf den Mann aus Baltimore. Sportartikler Speedo, Kreditbroker Argent, Mobiltelefonfirma AT&T Wireless, Uhrenhersteller Omega, Nahrungsmittelhersteller Power Bar und Visa zahlen angeblich je mindestens sechsstellige Beträge, um mit Phelps zu werben: Visa gibt sogar eine Kreditkarte mit Phelps' Konterfei heraus.
Nicht gemacht für das Leben an Land
Michael Phelps ist nicht gemacht für das Leben an Land. Er war ein, wie man sagt, schwieriges Kind, litt am Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom ADS und musste lange Zeit dagegen Medikamente schlucken. Es war eine unendliche Mühsal für Eltern und Lehrer, ihn durch die Schule zu schleusen. Selbstbewusstsein aus seinem Körper zu ziehen blieb ihm in den meisten Sportarten verwehrt. Er ist hyperflexibel in allen seinen Gelenken, weshalb seine Bewegungen auf eine groteske Art unkoordiniert wirken. Schon das Joggen bereitet ihm Probleme. Phelps läuft Gefahr, bei kleinsten Unebenheiten umzuknicken und seine Bänder zu schädigen. Doch im Wasser fügt sich eines zum anderen. Seine langen Arme und der lang gestreckte Oberkörper, der mit den erstaunlich kurzen Beinen gar nicht harmonieren will, werden im Becken zu seinen besten Waffen. Phelps verleiht seinen 1,93 m mit 88 kg eine Schnelligkeit, die ihn am 30. März 2001 über 200 m Schmetterling zum jüngsten Weltrekordler (1:54,92 Minuten) überhaupt machte. 15 Jahre und neun Monate war er damals alt. Inzwischen hat er 13 Weltrekorde aufgestellt.
"Ich schwimme schon, seit ich sieben bin. Meine Schwestern und ich sind mit einem Pool aufgewachsen. Irgendwann merkte ich, ich bin schneller als die anderen", so Phelps. Sein unglaubliches Talent wurde schnell offenbar, obwohl er früher einen noch eher filigranen Körperbau hatte. Als er im vergangenen Jahr, mit Muskeln längst mächtig bepackt, bei der WM in Barcelona die Weltrekorde mit Quantensprüngen fast beiläufig pulverisierte, erklärte ihn der deutsche Chefcoach Ralf Beckmann für "untrainierbar" - weil er einfach alles schon kann. "Ein Naturtalent, ein unglaublicher Schwimmer", sagt Australiens früherer Chefcoach Don Talbot. Phelps selbst ist "einfach nur Michael Phelps, der Erste. Nicht der zweite Mark Spitz." Diesen Vergleich kann er nicht mehr hören, auch wenn er nun auf einer Stufe mit der Schwimm-Legende steht.