Bier- und Oktoberfestmuseum Wenn die Gaudi im Museum landet

Von Christian Schreiber
München jenseits der Massenveranstaltung auf den Wiesn. Kaum einer kennt das Museum zum weltgrößten Volksfest. Noch ist das Oktoberfestmuseum, das nichts beschönigen möchte, ein Geheimtipp.

Eigentlich sind es ja drei Museen. Nur die wenigsten Besucher interessieren sich jedoch für die wurmstichigen Holzbalken aus dem 13. Jahrhundert und die winzigen Rauchküchen des ältesten noch erhaltenen Münchner Wohnhauses. Interessanter finden die Gäste eher das Biermuseum im selben Gebäude. Aber die meisten Besucher kommen, um den Bratengeruch einzusaugen und in die Partystimmung einzutauchen, die der dritte Stock verströmt, in dem das Oktoberfestmuseum untergebracht ist.

Was stellt man an den Anfang einer solchen Ausstellung? Nichts von alledem: Bilder jubilierender Menschen, eine Dirndl-Sammlung, Maßkrüge? Die Welt der Spaßgesellschaft wird mit finster blickenden Gesellen eröffnet. Die sieben Bierbarone, die sich grämen, obwohl sie für den Höhenflug der großen Münchner Brauereien sorgten. Besonders schlecht gelaunt war Josef Pschorr beim Fototermin. "Er war der größte Steuerzahler in München, deswegen schaut er so grantig", sagt Museumsleiter Lukas Bulka.

Im Sonntagsanzug am Biertisch

Das "größtes Volksfest der Welt" ist schon seit Jahrzehnten ein riesiges Besäufnis, wie Zeichnungen aus jenen Tagen beweisen, als Fotoapparate noch eine Seltenheit waren: Männer können sich kaum noch auf den Beinen halten oder liegen vor den Zelten. Auch solche Bilder hängen hier, denn das Museum will nichts beschönigen. Vielmehr möchte das Haus alle Facetten des Oktoberfests zeigen. Dazu gehört auch die Entstehungsgeschichte. "Die Leute fahren auf die Wiesn und besoffen wieder zurück und wissen gar nicht, warum es das Oktoberfest gibt", sagt Museumsführer Günter Hoffmann.

Bier- und Oktoberfestmuseum

Adresse: Sterneckerstraße 2, 80331 München; Öffnungszeiten: Di bis Sa 13 bis 17 Uhr, während des Oktoberfestes bis 4. Oktober tgl. geöffnet; www.bier-und-oktoberfestmuseum.de

Die Informationen über die Entwicklung sind kurz gehalten, nur nicht zu viel Geschichte vermitteln. Königliche Hochzeit im Jahr 1810, große Party, Fortsetzung in den folgenden Jahren mit Pferderennen, Landwirtschaftsausstellung und Schützenfest. Nachdem die farblosen Fakten abgehakt wurden, tauchen bunte Karussellpferde und Clowns auf. "Die Wirte waren ja geschäftstüchtig und wollten immer mehr Besucher anlocken", erklärt Museumsleiter Bulka und zeigt auf ein altes Blechschild mit der Aufschrift "Die drei dicksten Mädchen". Kleine, Große, Dicke, Zwillinge waren Attraktionen und wurden in den Zelten zur Schau gestellt.

Aus jener Zeit stammen auch die Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus den Zelten, in denen die Männer im feinen Sonntagsanzug am Biertisch sitzen. Lederhosen waren für Arbeiter. "Heute zieht die Schicki-Micki-Szene in Lederhosen über die Wiesn", amüsiert sich Bulka. Die Reichen und Schönen sitzen aber nicht nur in ihren Edelzelten. Man mischt sich gerne unters Volk und lässt sich die Hausmannskost schmecken. 100 Ochsen, 40.000 Schweinshaxen, 500.000 Hähnchen und 7 Millionen Liter Bier füllten im vergangenen Jahr die Besucherbäuche.

Oktoberfest im Frühjahr: Wiesn im Kellergeschoss

Eine Kunststoff-Schweinshaxe, eine lackierte Riesenbrezel und zwei Maß Schaumstoff-Bier stehen im Riesen-Setzkasten im Oktoberfestmuseum. Bunte Bilder hinter der Holzkonstruktion symbolisieren das Treiben und der Lautsprecher peitscht "Ein Prosit der Gemütlichkeit" durch die von Bratengeruch geschwängerte Luft. Wiesn-Pop-Hits sind allerdings nicht zu hören. Amerikaner und Asiaten machen vor dieser Installation häufig Fotos. Italiener kommen auch gerne ins Oktoberfestmuseum. Demnächst wird sogar eine der treuesten Fangruppen hier verewigt werden. Bulka plant eine Fotoausstellung über einen Trupp, der seit 30 Jahren regelmäßig zur Wiesnzeit über den Brenner kommt und jeden Besuch mit der Kamera festgehalten hat. Von der Schlaghose zum Sepplhut. "Das sind originelle Ausstellungsstücke. So etwas nehmen wir gerne", erklärt Bulka, dem die Leute "jeden Mist" für sein Museum anbieten. "Die glauben, die kriegen für alles Geld." Mit Plastik-Bierdeckelhaltern könnte er eine ganze Sonderschau füllen, einen gewissen Anspruch müssen die Sammelstücke aber erfüllen.

In einem kleinen Raum hängen Schwarz-Weiß-Aufnahmen der Münchner Oberbürgermeister beim schwierigsten Job des Jahres. Bei keiner Festrede, keinem Fernsehinterview, keinem Talkshow-Auftritt kann man sich als Münchner Stadtoberhaupt so blamieren wie am Eröffnungs-Samstag im Schottenhammel-Zelt. Ein jeder OB stand schon da wie ein begossener Pudel: biergetränktes Hemd, Schaum auf der Brille, Entsetzen im Gesicht. Leider haben die Museumsmacher nur die geglückten Versuche aufgehängt. Alle in trockenem Tuch. Anschließend nippen sie an der Maß und lächeln in die Kameras.

Noch bevor der Oberbürgermeister den Hahn ins erste Fass treibt und der erste Wiesn-Hit im Zelt ertönt, kommen die modernen Bierbarone ins Oktoberfestmuseum zur offiziellen Wiesnbier-Probe. Im Kellergeschoss gibt es ein uriges Stüberl, wo das Museum bei Veranstaltungen für größere Besuchergruppen das Oktoberfest auch im Winter oder Frühling zelebriert. "Fass anstechen, Bier kippen, dann Haxe, Ente, Schwein", so nennt Museumsführer Günter Hoffmann die Reihenfolge. Nur wenn die Brauereibosse da sind, geht es nicht so zünftig zu. Zur Bierprobe kommt sogar ein Bier-Sommelier. Die Wirte haben halt andere Wünsche als das gemeine Volk. Noch eine weitere Bildergalerie finster drein blickender Bierbarone verträgt das Museum wirklich nicht.

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