US-Teenager Jung, prüde, schwanger

  • von Frank Siering
Sex vor der Ehe ist in den USA ein Tabu. Trotzdem - oder gerade deswegen - gibt es mehr als 750.000 schwangere Teenager pro Jahr. Britneys Schwester Jamie Lynn ist das prominenteste Beispiel. Dank ihr und eines neuen Kinofilms wird das Thema jetzt salonfähig.

Manchmal zeigt auch Hollywood seine überraschende Seite. So wie in diesen Tagen: Da schleicht sich ein kleiner, aber feiner Film ganz langsam, aber sicher vorbei an den großen Blockbuster-Streifen. "Juno" heißt das Juwel, das mit dem relativ geringen Produktionsbudget von sieben Millionen Dollar von Fox Searchlight hergestellt wurde und dieser Tage stramm auf die 100 Millionen Dollar Umsatzmauer zusteuert. Das ist gelinde gesagt eine Sensation für einen Film, in dem es sich um die Schwangerschaft eines Teenagers geht.

Wird doch dieses Thema - siehe Jamie Lynn Spears - gerne allzu oft totgeschwiegen, von Puritanern oder den sehr einflussreichen religiösen Rechten in den USA. Als würde es das nicht geben. Zumindest nicht im Amerika, das von Disney gezeichnet wird.

Weil nicht ist, was nicht sein darf

Die Wahrheit sieht wahrlich anders aus: Zwar sinkt die Schwangerschaftsrate von Teenagern in den USA seit einigen Jahren. Dennoch durchleben im Land der unbegrenzten Möglichkeiten jährlich zwischen 750.000 und 850.000 junge Frauen im Alter von 14 bis 17 Jahren jedes Jahr eine ungewollte Schwangerschaft.

Jamie Lynn Spears, die 16-jährige kleine Schwester von Britney, musste nach Bekanntwerden ihrer Schwangerschaft erst einmal für ein paar Tage mit der Mutter untertauchen, damit sich die Gemüter beruhigen konnten. Ihre TV-Serie "Zoey 101" soll nach Insider-Berichten jetzt abgesetzt werden, weil sich zu viele Menschen bei Disney über diesen Umstand beschwert hatten. Wohl gemerkt: Wir schreiben das Jahr 2008, auch in der Neuen Welt.

"Juno" trifft den Nerv der Zeit

Und nun macht ausgerechnet ein Film Schlagzeilen, der ein ebenfalls 16-jähriges Mädchen zeigt, das ungewollt in eine Schwangerschaft schlittert. Wie ist das möglich? "Ich glaube, dass wir mit diesem Film den Nerv der Zeit getroffen haben", erzählt Hauptdarstellerin Ellen Page im Gespräch mit stern.de in Beverly Hills. Ihr Charakter ist neu für viele junge amerikanische Frauen. "Sie ist stark, steht zu ihren Fehlern und entschuldigt sich nicht ständig für das, was sie ist", fährt Page fort. "Juno" ist so stark in seiner Aussage, dass vor allem die jungen Amerikanerinnen gleich drei- bis viermal Kinotickets lösen, um die Reise der 16-jährigen Schülerin zu verfolgen, die im wirklichen Leben übrigens 20 Jahre alt ist. Regisseur Jason Reitman ("Thank you for Smoking") ist der festen Überzeugung, dass vor allem junge Frauen in "Juno eine Frau sehen, die sich trotz ihrer Umstände nicht verstecken muss, die mit erhobenem Kopf durch die Gesellschaft stolzieren kann."

Und tatsächlich: Dieser Film bricht mit vielen Tabus, die in den USA noch heute vielfach Gültigkeit besitzen. Junge Frauen haben sich in der High School einem bestimmten Verhaltensmuster anzupassen. Sie werden vom Jungen zum "Date" eingeladen. Es gilt als unschicklich, den männlichen Counterpart zu einem abendlichen Dinner einzuladen. Das althergebrachte Rollenspiel - Mann führt Frau aus, Mann bezahlt Essen, Mann bestimmt den nächsten Schritt - hat in den USA noch heute erschreckende Aktualität. "Ich habe es niemals verstanden, weshalb Frauen nicht für ihre Leistungen, sondern für ihr Aussehen oder ihr Erscheinungsbild bewertet werden", erzählt "Juno"-Drehbuchautorin Diablo Cody.

Erfrischender Tabubruch

Wohl auch deshalb ist "Juno" ein solch erfrischender Charakter für viele Teenager, die sich diesen Streifen anschauen. Eben weil sie nicht "einfach verschwindet, nachdem sie herausfindet, dass sie schwanger ist", wie Regisseur Reitmann vermutet. "Juno ist präsent. Hier wird nichts unter den Teppich gekehrt, sondern hier wird sich hemdsärmelig und humorvoll mit dem Problem auseinandergesetzt", fügt Cody hinzu.

Vielleicht ist Amerika tatsächlich bereit, einige Gesellschaftstabus wie das der Teenager-Schwangerschaft aufzubrechen. Immerhin steht das Land dieser Tage ganz im Zeichen von "Veränderung" und "Fortschritt" - zumindest propagieren das die potenziellen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama und Hilary Clinton. Für Jamie Lynn Spears würde das bedeuten, dass sie sich mit ihrem wachsenden Babybauch nicht mehr verstecken muss. Und für junge Frauen wie "Juno" würde es Hoffnung auf ein Leben ohne Makel und Dissens wecken.

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