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Was macht eigentlich... Ina Deter

Die Berliner Rockmusikerin landete 1983 mit ihrer Emanzipations-Hymne "Neue Männer braucht das Land" einen Dauerbrenner

Zur Person:

Die 56-Jährige hat in ihrer Heimatstadt wieder ein WG-Zimmer, lebt aber die meiste Zeit mit dem Produzenten Manni Hollaender in Aachen. Die beiden machen seit 25 Jahren zusammen Musik und sind seit 1990 ein Paar. Deter startete ihre musikalische Karriere mit 14 in der Skiffle-Band Lucky Girls und tingelte ab 1967 als Folksängerin durch die West-Berliner Szene. Ihre erste LP "Ich sollte ein Junge werden" erschien 1977. Sechs Jahre später folgte der große Durchbruch mit "Neue Männer", auf dessen Refrainzeile "Ich sprüh´s an jede Wand" der NDR mit einer Strafanzeige wegen Aufforderung zur Sachbeschädigung reagierte (kleines Foto: Ina Deter mit ihrer Band bei einem TV-Auftritt 1983). Unlängst hat Deter mit ihrer Band Die Compagnons ihr 16. Album eingespielt: "Voilà - Lieder von Edith Piaf" auf Deutsch

Hätten Sie ein Patent auf den Slogan "Neue Männer braucht das Land", wären Sie heute reich.

So ist es. Aber vielleicht sollte das nicht sein. Das war schon verdammt hart, zumal es Zeiten gab, in denen es mir finanziell nicht toll ging. Aber irgendwann musst du aufhören, dich darüber zu ärgern. Wer weiß, ob ich dann noch den Hintern hochbekommen hätte, für die guten Sachen, die danach kamen, wie jetzt das Piaf-Programm.

1990 kam der Sampler, der - ganz Edith - "Ich bereue nichts" hieß, nun das neue Projekt: Warum die Piaf?

Mich fasziniert ihre Power. Wie sie sich in den 30er, 40er Jahren durchgesetzt hat, als das noch gar nicht modern war. Und dann diese wahnsinnigen Liebesgeschichten. Die hört man und weiß: Die musste an zerbrochenem Herzen sterben.

Ihre eigenen Lieder erzählen auch viel von Verletzungen - war das Grund genug, sich gegen Familie zu entscheiden?

Um Manni und mich herum heiraten jetzt alle. Ich kann mir weder vorstellen, jemandem so zu gehören, noch kann ich sagen, ich bin dir treu bis ans Lebensende. Das ist doch Schmu. Woher soll ich das denn wissen? Ich hätte es aber auch nicht geschafft, anspruchsvolle Musik zu machen und Familie zu haben.

Haben Sie Ihre Wahl jemals bedauert?

Schon. Aber dann stehst du auf der Bühne und weißt, es war richtig, du kannst nicht anders. Nach dem Konzert, allein im Hotelzimmer, kriegt man allerdings manchmal Depressionen.

Wenn Sie das schon ankratzt, wie halten Sie es dann aus, ein Projekt zu beenden, ohne zu wissen, was danach kommt?

Manchmal packt einen Panik. Ich habe immer das Gefühl gehabt, das ist jetzt der letzte Text, da ist nichts mehr.

So sehr, dass Sie dachten: Das war´s?

Ja. Von 1993 bis 1997 habe ich nichts gemacht außer ein halbes Jahr eine Regieassistenz in einem kleinen Theater. Das war auch die Zeit, in der ich in die Wechseljahre kam und mich derartig verändert habe, dass es mich selbst erschreckt hat.

Inwiefern?

Ich war unheimlich schnell auf 180, habe viel geheult und war mit allem unzufrieden. Ich bin mit meinem Fahrrad durch die Wälder gefahren und habe mich gefragt, was mache ich eigentlich? Dann kam noch eine Gesichtslähmung dazu, was wohl dafür stand, dass ich mein wahres Gesicht nicht gezeigt habe. Das war ein Zeitpunkt, an dem alles zusammengebrochen ist und ich dachte: danke, Ende.

"Neue Männer braucht das Land" war Anfang der 80er das Lied zur Aufbruchstimmung. Haben Sie sich verraten gefühlt, als sich der Zeitgeist änderte?

Verraten nicht. Aber ich hing in der Vergangenheit fest. Ich habe nicht kapiert, dass das zu Ende sein sollte, weil doch noch gar nicht viel erreicht worden war. Aber wenn ich mir heute das Programm der Grünen angucke, dann fühle ich mich verraten. Die fangen an, nach den alten Prinzipien zu regieren. Da fehlt mir Petra Kelly, neben Edith Piaf eine der Frauen, der ich wirklich glaubte, was sie gesagt hat.

Carpe diem? Hat das auch damit zu tun, dass Sie an Brustkrebs erkrankt waren?

Ja, die Werte sind andere geworden. Ich war es immer gewohnt, einen Zettel abzuarbeiten: Das schaffst du noch und das und das auch noch? Das mache ich heute anders - also, ich versuche es zumindest. Als wir die CD aufgenommen haben, dachte ich schon: Deter, du bist bescheuert, dir diesen Stress anzutun. Aber sobald dich das Orchester auf der Bühne in seine dicken Arme nimmt, kriegst du eine Gänsehaut und weißt, warum du da stehst.

Interview: Silvia Feist

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