was-macht-eigentlich Alewtina Nefjodkowa

Am 12. August 2000 verlor die 40-Jährige bei dem Untergang des russischen U-Bootes KURSK in der Barentsee ihren einzigen Sohn Iwan, von der Familie liebevoll Wanja genannt

Am 12. August 2000 verlor die 40-Jährige bei dem Untergang des russischen U-Bootes KURSK in der Barentsee ihren einzigen Sohn Iwan, von der Familie liebevoll Wanja genanntZur Person :

TRAUER -Alewtina Nefjodkowa lebt mit Tochter Walentina, 14, in dem kleinen Dorf Krasnaja Gorka bei Jekaterinburg im Ural. Dort arbeitet sie im Lager des Dorfladens. Sohn Iwan wurde nur 20 Jahre alt, er leistete auf der »Kursk« seit neun Monaten seinen Wehrdienst ab

Die ersten Seeleute der »Kursk« sind jetzt geborgen worden. Einige Angehörige der Opfer klagen, dies störe die Totenruhe.

Ja, viele sagen, das Meer sei ihr gemeinsames Grab. Aber ich möchte trotzdem, dass Wanja nach Hause kommt. Tot, aber nach Hause. Ich möchte ein Grab, zu dem ich gehen kann.

Bei einem der Toten wurde ein Abschiedsbrief gefunden. Hoffen Sie auf eine letzte Nachricht von Ihrem Sohn?

Vielleicht ist es besser, wenn er sich nicht quälen musste.

Wann haben Sie überhaupt von dem Unglück erfahren?

Journalisten aus Jekaterinburg riefen mich an und sagten, Wanja stehe auf der Liste der Toten. Ich konnte das gar nicht glauben. Denn am Tag des Unfalls hatte ich noch einen Brief von Wanja bekommen. Als ob er noch leben würde.

Was hatte er geschrieben?

In Seweromorsk und Widjajewo, den Garnisonsstädten der Nordflotte, hat es ihm gar nicht gefallen. Er fand es dort sehr dreckig. Er schrieb, in unserem Dorf sei es viel sauberer. Aber das Meer gefiel ihm immer besser.

War er gerne beim Militär?

Was hätte er sonst machen sollen? In unserem Dorf gibt es nur zwei Möglichkeiten: Gefängnis oder Armee.

Ist er zufällig zur Flotte gekommen?

Nein, er wollte zur Flotte. Da kriegt man zwei Jahre lang umsonst zu essen und wird angezogen. Er wollte auch auf ein U-Boot. Dabei wussten wir kaum, was das ist. Wir hatten das Meer noch nie gesehen.

Haben Sie sich keine Sorgen gemacht?

Nein, ich war froh, dass er nicht nach Tschetschenien musste. Im Norden gibt es nur Pinguine, habe ich ihm gesagt. Wer soll ihm da was tun?

Viele beschuldigen jetzt das Militär, an der Katastrophe schuld zu sein.

Aber man muss doch unsere Heimat schützen. Am meisten hatte ich Angst, dass die Mannschaft des U-Bootes beschuldigt wird. Am Ende hat mein Wanja irgendwas falsch gemacht, und alles wird auf ihm abgeladen. Ich habe gebetet, dass das nicht passiert.

Warum ist das Unglück denn passiert?

Das ist unsere Hilflosigkeit. Es gibt kein Geld, um normal zu leben und normal Dienst zu tun.

Als Sie die Nachricht von der Katastrophe hörten, was haben Sie zuerst gedacht?

Es kann nicht sein, dass Wanja tot ist. Er hat sich doch so beeilt mit dem Leben. Nach Hollywood wollte er und mir eine Garage bauen. Wir haben oft zusammen gemalt. Er war aufgeschlossen und hat in der Schule nie eine Scheibe zerschmissen.

Wer hat Ihnen in der Zeit nach seinem Tod geholfen?

Ich bekam Briefe und Telegramme. Viele Leute haben mich unterstützt, auch die Menschen aus unserem Dorf. Alle fragten, was sie für mich tun können. Sie haben mir sogar die Kartoffeln ausgebuddelt.

Die Regierung hat viel Geld versprochen. Wieviel haben Sie bekommen?

Ich bekam 720000 Rubel, also 60000 Mark, aber keiner tauscht sein Kind gegen Geld. Da können Sie jeden fragen. Ich brauche nichts für meinen toten Sohn. Nein, dieses Geld bedeutet nur Dreck. Ich sitze vor dem Fernseher und warte, dass sie meinen Jungen finden, und die Leute zählen nur meine Rubel. Sie fragen: Warum gehst du noch arbeiten? Du hast doch jetzt so viel.

Sind die Leute neidisch?

Es ist so ein ungesunder Neid, so eine Schadenfreude. Die Leute sind arm und betteln mich an. Auch mein Ex-Mann ist plötzlich wieder aufgetaucht und forderte ein Viertel der Summe. So viele Jahre lang habe ich ihn gesucht. Er war sogar angeklagt, weil er seine Alimente nicht zahlte. Und auf einmal ist seine Liebe zum Sohn erwacht.

Wem haben Sie etwas abgegeben?

Wir haben auf Wanjas Kosten das Heizwerk im Dorf repariert. Jetzt werden wir nicht mehr frieren. Außerdem habe ich beschlossen, den Sportsaal auszurüsten. Wanja ging gern dorthin.

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