Bei der Haute Couture werden mehr Träume als Kleider verkauft. Dass die oft totgesagte hohe Schneiderkunst dennoch funktioniert, belegen die jung gespritzten Ladies, die seit Anfang dieser Woche durch Paris chauffiert werden.
Bei den Couture-Schauen für Frühjahr/Sommer 2007 sitzen die reichsten Frauen der Welt in der ersten Reihe und geben sich mit ihrem sorgfältig restaurierten Äußeren der Illusion hin, dass ein atemberaubend teures Kleid sie in der kommenden Saison einem der Models angleichen könnte. Der Hauptnutzen der meist defizitären Couture liegt anderswo: In der Wertsteigerung eines Marken-Images mit Auswirkungen auf den Verkauf von Parfums oder Handtaschen, Schuhen oder Kosmetika.
Nur noch zehn Modehäuser dürfen sich mit der geschützten Bezeichnung "Haute Couture" schmücken, darunter Namen wie Chanel, Dior und Gaultier. Kriterien wie eine bestimmte Anzahl von Modellen pro Saison, Maß- und Handarbeit gehören zu den Voraussetzungen. Als "korrespondierende Mitglieder" bezeichnet die zuständige Kammer zudem mit Armani, Valentino und Elie Saab drei nicht in Paris angesiedelte Häuser.
Rasant zwischen Absatz und Spitze
Seit dem Siegeszug des Prêt-á-Porter in den 60er Jahren ist die Mitgliederzahl ständig gesunken. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs betrieben noch über 100 Häuser das Gewerbe der hohen Schneiderkunst, fast zehn Mal so viele wie heute.
Nun scheint Paris in die Offensive zu gehen: Fast 20 jüngere Modemacher wurden diesmal eingeladen, innerhalb des Schauenkalenders ihre Entwürfe vorzustellen. Der Kalender umfasst diesmal vier statt wie bisher drei Tage. Die Großen wie Armani (zum Abschluss an diesem Mittwoch) legen sich zudem mit aufwendigen Inszenierungen ins Zeug. Dior bot am Montag mit einer wunderschönen Inszenierung zwischen "Madame Butterfly" und höchster Handwerkskunst ganz großes Theater.
Mit einem beeindruckenden Star-Aufgebot trumpfte Karl Lagerfeld am Dienstag bei Chanel auf: die Schauspielerinnen Sigourney Weaver und Vanessa Paradis und die Regisseurin Sofia Coppola waren gekommen, ebenso wie Victoria Beckham oder die schöne Charlotte Casiraghi, Tochter von Prinzessin Caroline von Monaco. Für junge Frauen wie sie schienen viele der Entwürfe gemacht.
Lagerfeld zeigte eine moderne Couture mit superkurzen Kleidern in knallrot-schwarzem Tweed zu blickdichten Glanzstrümpfen und schwarz-weißen Pumps mit einem rasanten Querstab zwischen Absatz und Spitze. Fransen und Bänder zogen sich als Thema durch die Kollektion, fügten sich zu schillernden Kleidern aus Pailletten-Streifen, mit Federn besetzt und mit Silberstickerei. Mädchenhafte Kurzarm-Oberteile mit rundem Kragen wirkten durch transparenten Tüll sexy.
Traum in Weiß
Einen Traum in Weiß präsentierte Valentino am Montag: Die Mannequins traten so zart auf wie Audrey Hepburn mit ummalten Rehaugen, hochgesteckten Haaren und Ponyfransen. Knapp knielange Kleider in Weiß, Creme oder Rosé zierten zarte Volants, zu sanften Kaskaden gelegte Plissierungen und silbrig schimmernde Stickereien. Abends bietet Valentino seinen Kundinnen zum Corsagenkleid immer den passenden Mantel.
Zu den Designern, die als "Eingeladene" dabei sind, zählen die Talente Anne Valérie Hash und Christophe Josse. Die Französin Hash war schon in den vergangenen Saisons dabei und ist inzwischen bekannt für ihre feinen Entwürfe zwischen Romantik und Strenge. Schwarze schenkelkurze Kleider kombiniert sie zu blickdichten Strümpfen und Stiefeletten. Lineare Einsätze in Weiß geben dem Ganzen einen architektonischen Touch. Mit der Kollektion ihres Kollegen Christophe Josse hält klassische Eleganz Einzug. Seine Kundin trägt im Frühjahr knielange Röcke, Marlene-Dietrich-Hosen und hochgeschlossene Rüschenblusen in Beige.
Armanis Models gehen online
Eine weitere Extravaganz in diesem Jahr: Die Models des italienischen Modeschöpfers Giorgio Armani gehen online. Der 72-jährige Designer habe entschieden, seine normalerweise den Reichen und Schönen vorbehaltene Haute-Couture-Schau "Giorgio Armani Privé" in Paris am Mittwoch live im Internet zu übertragen. "Die Welt der Couture ist bisher nur für wenige zugänglich, aber dank der Demokratie des Internet können wir heute allen einen Platz in der ersten Reihe anbieten", sagte der Maestro.
Die Schau könne ab 21 Uhr sowohl vor den heimischen Bildschirmen auf der Seite www.msn.com als auch von Kunden des Mobilfunkanbieters Cingular auf dem Handy verfolgt werden. "Armani bricht ein Tabu", kommentierte ein italienischer Journalist.