Einer kleinen Lektion über große Architektur glich Karl Lagerfelds Chanel-Modenschau am Dienstag im Pariser Grand Palais. Die Models der Haute-Couture-Präsentation für Frühjahr/Sommer 2006 liefen durch eine schneeweiße Arena unterhalb der imposanten Glaskuppel des Gebäudes. Genau unter deren Mittelpunkt verschwanden sie in einem riesigen Zylinder, der sich am Ende der Schau hob. Und dabei gab er den Blick frei auf alle Mannequins, die sich auf einer Wendeltreppe versammelt hatten.
Architektonisch wirkten auch die aufwendigen Kleider: Schwarze schmale Cocktailkleider oder perfekt gemachte Kostüme bestachen durch sanft gerundete "Kuppel"-Röcke. Dazu gab es flache 60er-Jahre-Stiefel in Weiß mit schwarzer Kappe. Opulent wirkten taillierte Roben mit aufgestickten Blättern und weit schwingenden Federröcken oder mädchenhafte Spitzenträume in Weiß, besetzt mit kleinen Stoffrosen.
Galliano ruft zur Palastrevolution
Auch John Galliano ließ sich nicht lumpen und inszenierte für Dior am Montag eine Art "Palastrevolution" der Haute Couture. Seine Models trugen die Jahreszahl 1789 wie ein Brandzeichen aufgemalt, weißgepuderte Gesichter mit Augenschatten und künstliche Blutspritzer. Tiefrote Seidenumhänge mit großem Kragen oder üppige schwarze Roben mit gerüschtem Rock und breitem Gürtel passten dazu. Galliano hatte sich - wohl angeregt von den Pariser Unruhen dieses Sommers - mit der französischen Revolution befasst und zudem noch das Haus einer Freundin des Marquis de Sade in Südfrankreich besichtigt. Supersexy Korsetts - teils mit Vorhängeschloss vor der Scham -, große Kreuzketten, verschleierte Gesichter und zarte Schleiergewänder zeugten von dessen düsterer Erotik. Tragbarer wirkten Gallianos derbe Lederjacken oder weiße Rüschenkleider mit Hemdchen-Oberteil.
Damenhaft und vornehm ging es bei Valentinos Schau der "Hohen Schneiderkunst" zu. Hier liefen die Models als 40er-Jahre-Diven mit knallrotem Mund und langen Haarwellen über den Laufsteg. Rosendrucke, Volants, Spitze und viele Rüschen beschworen einen heiteren Frühling.