Dem irischen Schriftsteller Oscar Wilde hätte dieser Anblick vermutlich gefallen: Bent Angelo Jensen, Chef des Labels Herr von Eden, erscheint mittags um zwölf im perfekt sitzenden Anzug aus dunklem Tuch, ein feiner Mustache unterstreicht seine galante Anmutung. Kerzengerade sitzt er am Tisch, gabelt manierlich Pellkartoffeln mit Butter und wundert sich bei der Zusammenfassung seiner beinahe zehnjährigen Firmengeschichte, wie gut alles passt. Manchmal laufen Geschäftsideen eben so geschmeidig wie ein guter Reißverschluss. Bent Angelo Jensen, 30, ist ein fl eißiger Geschäftsmann, das Händchen dafür und seinen zweiten Vornamen verdankt er seiner italienischen Großmutter. Sein Label Herr von Eden mit Filialen in Berlin, Hamburg, Köln und München zählt heute zum Besten, was junges deutsches Mode-Handwerk zu bieten hat; die Herren- und Damenkollektionen im Stil der Old School sind begehrt bei Modeliebhabern, Künstlern und Brautpaaren.
Das Herr-von-Eden-Gefühl: Man fühlt sich sicher und unschlagbar gut angezogen. Die Kollektionen sind der Klassik verpfl ichtet und schaffen den Sprung in die Avantgarde durch kleine Schnittvariationen oder dezent verspielte Details wie Manschettenknoten oder schräg aufgesetzte Manteltaschen. Nach dem Essen steht Jensen in seinem Geschäft in der Hamburger Langen Reihe und wirkt eine Spur entrückt. Seine Stimme ist leise, die Sätze verlassen deutlich akzentuiert den Mund. Die Grammatik seines Metiers lernte Jensen bereits als Schüler in Flensburg. Dort heuerte er als 14-Jähriger in einem Secondhand-Laden an, sortierte abgelegte Anzüge, um "an der Quelle zu sein", wie er sagt. Als glühender Fan der britischen Mod-Bewegung trug er stets frisch gebügelte Hemden, Chelsea Boots, Hochwasserhosen und grenzte sich so von seinem Bruder ab, der in Lacoste-Hemden den verachtenswerten Popper gab. Dem Modebusiness aus zweiter Hand blieb er treu, als er 1996 im Hamburger Karoviertel das "24 Hours" eröffnete.
Er modelt selbst gern für sein Label und spielt dabei mit Verwandlungen
Zwei Jahre später folgte die Keimzelle der Herr-von-Eden-Bewegung. Das Geschäft eröffnete im Stil britischer Herrenausstatter, bestückt mit Secondhand- Ware, die Jensen auf seiner Schatzsuche zusammentrug. Zunächst verlieh er die Anzüge für eine Monatsrate, dafür bekam die Kundschaft einmal pro Woche ein anderes Stück, gereinigt und gewartet. "Offene Garderobe" hieß das Konzept, und schon bald wollten die etwa drei Dutzend Herren ihre Lieblingsstücke nicht mehr hergeben. Also verkaufen! 300 bis 350 Mark verlangte der Jungunternehmer für die Vintage-Stücke. 1999 entwarf Jensen seinen ersten eigenen Anzug. Mittlerweile verkauft er bundesweit im Jahr circa 2.000 Anzüge. Preis: ab 490 Euro. Für jede Kollektion, es gibt zwei im Jahr, entwirft er über 50 verschiedene Herren- und bis zu 30 Damenmodelle, die in Stückzahlen von nur 15 bis 20 in Tschechien aufwendig und größtenteils von Hand gefertigt werden. Eine Raw-Denim- und eine Stricklinie des Labels sind in diesem Sommer hinzugekommen.
Jensen arbeitet gern mit Freunden zusammen, seine 35 Mitarbeiter gehören sozusagen zur erweiterten Familie. Genau wie die Schar Künstler, die den Style der Marke schätzen. So fädelte Star-Rapper Jan Delay seinen Imagewechsel von Rap auf Funk in feinem Zwirn ein, ließ sich und die Herren seiner Band komplett von Herr von Eden ausstatten. "Da trägt man Herzblut am Körper", sagt Delay. Jensens Sachbearbeiter bei der Bank war von dem Deal stärker beeindruckt als von den guten Umsatzzahlen des Unternehmens. Jensen selbst hofiert die Prominenz nicht, er ist mit ihr vielmehr auf Tuchfühlung, auch weil ihm Selbstdarstellung nicht fremd ist. Er modelt selbst gern für sein Label und spielt dabei mit Verwandlungen. Die inszenierte Unnahbarkeit eines Stars, die Jensen umweht, löst sich vollkommen auf, wenn er hoch konzentriert den Ärmel eines Kostüms absteckt. Er spürt, wie sich ein Mensch fühlen möchte, der einen feinen Anzug trägt. Das nennt man dann: große Qualität.
Stefanie Wilke