Jüngst hatte ein Jogginghosen-Verbot an einer Schule in Wermelskirchen bei Remscheid hohe Wellen geschlagen. Von der Schule hieß es am Mittwoch, man wolle die Kleiderordnung "trotz Kritik in den Medien" aufrechterhalten. Die Schülerinnen und Schüler sollten so dazu animiert werden, Kleidung zu tragen, die nicht zum "Chillen" verleite. Für die Vorbereitung auf das Berufsleben sei eine Abkehr von der Jogginghose wichtig, teilte die Schule weiter mit.
"Schulzeit ist Arbeitszeit, daher hat die Jogginghose dort keinen Platz."
Die Deutsche-Knigge-Gesellschaft unterstützt das Jogginghosen-Verbot in Schulen. "Jogginghosen sind, wie der Name schon sagt, Funktionskleidungsstücke, die zum Sport oder für die Entspannungsphase danach getragen werden", sagte eine Sprecherin am Donnerstagabend der Deutschen Presse-Agentur. "Sportler tragen auf dem Sportplatz ihr Trikot als Arbeitsuniform und nach getaner Arbeit die Jogginghose in ihrer Freizeit. Schulzeit ist Arbeitszeit, daher hat die Jogginghose dort keinen Platz."
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Eine neue Bequemlichkeit, die sich durch Zeiten des Homeoffice eingeschlichen habe, will die Deutsche-Knigge-Gesellschaft nicht auf die Außenwelt übertragen sehen: "Mit dem Arbeiten von Zuhause hat sich bei vielen eine gewisse Nachlässigkeit und Bequemlichkeit eingestellt, die außerhalb der eigenen vier Wände nicht funktioniert", sagte die Sprecherin.
Arbeitskleidung, Uniformen und Dresscodes seien sozial gewachsen. "Mit der Kleidung wird eine bestimmte Aufgabe, Autorität oder Zugehörigkeit ausgedrückt. Aus diesem Erfahrungsschatz heraus lässt sich die Jogginghose im Alltag nicht beziehungsweise nicht zu einer wertvollen Aufgabe zuordnen und stößt auf Widerstände."
"Es gibt keine Grundlage für ein individuelles Verbot."
Wichtig ist aber nicht, was Benimm-Experten über das Verbot denken, sondern was das Gesetz sagt. Und das von der Sekundarschule Wermelskirchen ausgesprochene Jogginghosen-Verbot für Schüler ist nach Ansicht von Rechtswissenschaftlern rechtlich nicht haltbar. "Es gibt keine Grundlage für ein individuelles Verbot. Die Rechtslage ist ziemlich eindeutig", sagte Professor Hinnerk Wissmann, Hochschullehrer von der Uni Münster, der Deutschen Presse-Agentur.

Das nordrhein-westfälische Schulgesetz lasse in der Sache wenig Spielraum. "Die Schulkonferenz kann in Fragen der Kleiderordnung eine Empfehlung aussprechen, mehr aber auch nicht." Entsprechend könne das Tragen einer Jogginghose nicht als Pflichtverstoß gewertet werden, der einen Ausschluss vom Unterricht rechtfertigt. Damit werde das Recht auf Bildung unterlaufen, sagte Wissmann.
Ähnlich äußerte sich Professor Markus Ogorek von der Uni Köln: "Eine Empfehlung kann schon dem Wortsinne nach keine Verpflichtung sein." Der Ausschluss von mit Sporthosen bekleideten Schülern dürfte daher rechtlich nicht gedeckt sein: "Wer Sanktionen aus dem Nichtbefolgen einer Empfehlung ziehen will, verkennt schlichtweg deren mangelnde Bindewirkung", so der Rechtswissenschaftler.
Angesichts der bewussten Festlegung des Gesetzgebers bestehe zudem kein Raum, über Konstruktionen wie einer Gefährdung des Schulfriedens eine Verpflichtung doch noch pauschal durchzusetzen, erklärte Ogorek.
Betroffene können klagen
Die Schule könne zwar im Einzelfall Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen gegen Schüler verhängen. Dafür müsste aber ein Pflichtverstoß vorliegen, den das bloße Tragen einer Jogginghose nicht darstelle. "Da müsste schon noch mehr dazu kommen", sagte Wissmann, der das Land NRW in Fragen des Schulrechts beraten hat.
Wenn ein Gespräch mit der Schulleitung nicht fruchte und eine Eingabe beim Schulamt auch nicht, könnten Betroffene gegen den Ausschluss vom Unterricht Rechtsschutz bei den Verwaltungsgerichten suchen.