Mr. Kennedy, vor kurzem startete die Modefirma Gant eine Werbekampagne mit Fotos, die Sie mit Frau und Kindern beim Urlaub auf der Insel Martha's Vineyard zeigen. Empfinden Sie es nicht als Frevel, den Namen Kennedy für etwas so Schnödes wie Reklame auszubeuten?
Sie meinen, ich mache mit dem Namen Kennedy Kasse? Unsinn! Ich verdiene an der Sache keinen einzigen Cent. Gant hat einen sechsstelligen Dollarbetrag an die Waterkeeper Alliance überwiesen und weist in Tausenden Anzeigen auf unsere Ziele hin - und das in 67 Ländern. Wir sind eine Dachorganisation für etwa 150 lokale Umweltgruppen, die für die Reinheit unserer Gewässer kämpfen. Im Falle von Umweltkatastrophen können wir binnen Stunden bis zu 170000 Helfer mobilisieren. Das scheint mir ein ethisch akzeptabler Deal zu sein, oder?
Ist das Herzeigen Ihrer Frau und Ihrer Kinder auf Werbefotos nicht eine Einladung an Stalker und wirre Psycho-Killer?
Ich lebe seit meiner Kindheit wie in einem Goldfischglas, aber habe ich mich deshalb diskriminiert gefühlt oder mich hinter hohen Mauern versteckt? Nein! Meine Frau und ich wollen am wahren Leben teilnehmen, und das birgt nun mal für jeden von uns Risiken, die wir nicht immer abschätzen können.
Hat die Firma Gant Sie auch deshalb zum Model auserkoren, weil Sie modebewusst sind?
Ich habe nicht die geringste Ahnung, was Mode ist. Ich kaufe mir einmal im Jahr etwas zum Anziehen und besitze exakt fünf Anzüge. Wenn Sie ein 30 Jahre altes Foto von mir betrachten, stellen Sie fest, dass ich damals die gleichen Sachen getragen habe wie heute. Von meinen sechs Kindern ist nur meine zehnjährige Tochter ein Fashion-Victim. Sie hält mich für den schlechtestangezogenen Mann des Sonnensystems.
Wann begann Ihr Interesse am Umweltschutz?
Mit zehn sagte ich meinen Eltern, ich wolle ein Buch über Umweltschutz schreiben. Wegen der nicht ganz schlechten Verbindungen unserer Familie bekam ich in Washington einen Termin mit einem Spitzenbeamten des Innenministeriums. Ich schaltete mein Tonband ein und löcherte den Mann mit Fragen zu verseuchten Flüssen und schadstoffverpesteter Luft. Die Geschichte landete im Nachrichtenmagazin "Time". Das war nach dem Geschmack meines Vaters. Er sagte: "Gut gemacht, mein Junge! Du bist keiner dieser Wolkenschieber, die alles besser wissen, aber nichts besser machen."
Ihr Vater Robert F. Kennedy war der Justizminister der USA. Wie streng wurden Sie von ihm erzogen?
Weinen galt als Zeichen von Schwäche und war verboten. Wir sollten taff und furchtlos sein und uns durch Sport hart machen. Immer wieder schärfte mein Vater uns ein: "Wie schlimm es auch kommt - ein Kennedy gibt nie auf. Nie! Habt ihr das verstanden? Dieses Land war sehr gut zu den Kennedys, also kann dieses Land auch sehr viel von den Kennedys erwarten."
Wie haben Sie den 5. Juni 1968 erlebt, den Tag, als Ihren Vater im Hotel Ambassador in Los Angeles die Kugeln des Palästinensers Sirhan Sirhan trafen?
Morgens um sechs weckte mich ein Lehrer meines Internats. Er sagte, draußen warte ein Wagen, der mich nach Hause bringe. Dass ein Attentäter viermal auf meinen Vater geschossen hatte, erfuhr ich erst bei meiner Ankunft. Wahrscheinlich wollte man mich schonen, weil ich erst 14 war. Wir flogen dann mit der Air Force Two von Vizepräsident Humphrey nach Los Angeles, wo mein Vater im Krankenhaus lag. Er hatte einen Verband um den Kopf und war an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen. Die Haut um seine Augen war schwarz. Meine Mutter, die mit meiner Schwester Rory schwanger war, saß an seinem Bett. Wir Kinder hielten abwechselnd seine Hand und beteten. Am nächsten Morgen kam mein älterer Bruder Joe zu mir in den Schlafraum und sagte: "He's gone."
Der Mörder Ihres Vaters sitzt lebenslänglich in einem Gefängnis in Kalifornien. Haben Sie je erwogen, mit ihm unter vier Augen zu sprechen?
Ich spüre keine Sehnsucht, diesen Mann zu treffen. Ich bete für ihn, aber ich habe ihm nichts zu sagen. Er hat sein Schicksal, ich meins. Wir können nichts füreinander tun.
Mit 29 brachten Sie Schande über die Kennedys, als Sie auf einem Flughafen in South Dakota von Polizisten wegen des Besitzes von Heroin festgenommen wurden. Damals prangte Ihr Gesicht auf dem Cover des US-Klatschmagazins "People".
Nach dem Tod meines Vaters wurde ich drogensüchtig. Ich glaubte, kein Problem zu haben, weil ich weiterhin funktionierte und es Monate gab, in denen ich völlig ohne Drogen auskam. Wie jeden Süchtigen zog es mich aber immer wieder zurück zu den Drogen. Endgültig clean zu werden war der härteste Kampf meines Lebens. Meine Festnahme half mir, denn durch den Skandal wusste jeder, was mit mir los war.
1984 wurden Sie wegen Drogenbesitzes zu 800 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Wie demütigend war das für einen Kennedy?
Meine Strafe war ironischerweise die Initialzündung für das, was ich heute tue. Ich engagierte mich für den völlig verdreckten Hudson, der damals ein nationaler Witz war. Durch jahrelange Prozesse zwangen wir die schuldigen Firmen, vier Milliarden Dollar für die Sanierung des Flusses zu zahlen.
Vor viereinhalb Jahren wurden Sie erneut verhaftet und zu 30 Tagen Gefängnis verurteilt. Diesmal wurden Sie allerdings als Held gefeiert.
Ich bin in eine amerikanische Marinebasis auf der puerto-ricanischen Insel Vieques eingedrungen. Unsere Marine testete dort seit 60 Jahren Bomben und vergiftete so die Bewohner. Die Insel hatte die höchste Kindersterblichkeit und Krebsrate des ganzen Landes. Wegen unserer Proteste haben die Tests inzwischen aufgehört.
In Ihrem vor zwei Jahren erschienenen Bestseller "Crimes Against Nature" rechnen Sie mit der Umweltpolitik Ihrer Regierung ab. Kritiker werfen Ihnen schwer überbietbare Polemik vor.
Wer gehört werden will, sollte nicht wie jemand auftreten, der Badeschaum an die Wand nagelt. Die globale Bedrohung unserer Umwelt hat einen Namen: George W. Bush! Er ist der schlimmste Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten! Seine mit der Industrie verfilzte Regierung hat rund 400 Umweltschutzbestimmungen gekillt. Drei meiner Kinder haben Asthma. In New York City leidet jedes vierte schwarze Kind unter dieser Krankheit. Die Medien sind zahnlos geworden, weil sie inzwischen meist Großkonzernen gehören. Der Sender NBC zum Beispiel gehört General Electric, dem größten Umweltverschmutzer der Welt. Es ist eine Schande: Als Kind bin ich mit meinem Vater durch England, Frankreich und Deutschland gefahren. Hunderttausende säumten die Straßen. Wenn die Menschen meinen Vater erblickten, konnte ich die Hoffnung auf ihren Gesichtern sehen. Heute dagegen sind wir die meistgehasste Nation der Welt.
Sie sind ein Cousin von Arnold Schwarzeneggers Frau Maria Shriver. Welche Note geben Sie Arnold als Gouverneur von Kalifornien?
Ich habe Arnold inoffiziell beraten. Anfangs gestand er mir, von Ökologie so gut wie nichts zu verstehen. Er versprach aber, der vorbildlichste Umweltschützer aller bisherigen Gouverneure Kaliforniens zu werden. Beim Thema Umwelt hat er bislang gute Noten verdient. Über den großen Rest möchte ich lieber schweigen.
Vergangenes Jahr entschieden Sie, nicht für den Posten des Justizministers des Staates New York zu kandidieren. Es wurden Ihnen exzellente Chancen prophezeit.
Es ist schon komisch: Die Kennedys, die nie in der Politik waren, rieten mir begeistert zu. Die politisch aktiven Kennedys dagegen rieten mir entgeistert ab. Ich bin sicher, dass ich in ein paar Jahren in die Politik gehen werde, aber mein jüngstes Kind ist erst vier, und ich möchte nicht, dass es mich überwiegend aus Zeitungen und Fernsehen kennt.
Es wird gesagt, Politik sei eine Droge. Sie müssen es wissen.
Dazu sage ich Ihnen nur eins: Macht kann einen Menschen verderben und zerstören - Machtlosigkeit aber auch.
Waren Sie eigentlich je bei Ihrem Onkel John F. Kennedy im Weißen Haus?
Als ich neun war, lud mich Onkel Jack zu einer Privataudienz im Oval Office ein. Ich hatte kurze Hosen an, und als Geschenk brachte ich ihm einen riesigen Salamander mit, den ich am Tag zuvor für ihn gefangen hatte. Mein Fehler war, dass ich dem Salamander Chlorwasser zu trinken gab. Als ich Onkel Jack gegenübersaß, bewegte sich das Tier kaum noch. Voll Schuldgefühl klopfte ich mit den Fingerknöcheln gegen den Glasbehälter, aber nichts passierte. Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika nahm dann seinen Füllfederhalter und stupste den Salamander mit dem stumpfen Ende an, aber wieder passierte nichts. "Wie es aussieht, braucht diese Kreatur Gottes dringend Urlaub", sagte er schließlich. Wir sind dann in den Garten des Weißen Hauses gegangen und haben den Salamander am Springbrunnen ausgesetzt. Ich fürchte, das Tier hat seinen Besuch im Weißen Haus nicht überlebt.
Interview: Sven Michaelsen