Manchmal, sagt er, denke er mit einem Pinsel im Kopf. Dann nimmt er seine Kamera, schaut, was er aufgebaut hat, und versucht, das Bild in seinem Kopf zu malen. "Ich überlege mir, wie ein Maler im 16. oder 17. Jahrhundert mit der Kamera umgegangen wäre", sagt Eugenio Recuenco. Das passt erst mal nicht zusammen mit dem Metier, in dem der Spanier arbeitet: Die Modefotografie ist ein ungeduldiges Genre, eine optische Industrie, die Looks und Trends immer schneller auf Bildern festhalten muss, ständig gehetzt von neuen Kollektionen. Eugenio Recuenco stellt sich mit aller Gelassenheit gegen diese Hektik, beinahe altmodisch baut der 37-Jährige seine Bühnen auf, überlegt sich Geschichten, die sich "vor und nach dem Bild für den Betrachter abspielen können", wie er sagt.
So war es genau die dunkle, poetische Mystik des Waldes, die Recuenco herausforderte, als ihn der stern bat, die aktuelle Wintermode zu fotografieren. Die erdigen Farben und die edle Düsterkeit der Kleider führten die Assoziationen des Spaniers zu einer Geschichte zweier Mädchen, die im versteckten Gehölz fantastische Forschungen betreiben. "Ich suche immer nach kleinen Märchen, in denen sich Realität und Fantasy zum Unwirklichen vermischen", sagt Recuenco, der es vor Jahren nicht leicht hatte, in der Modefotografie Fuß zu fassen.
Mittlerweile hat er sich mit seinen surrealen, verspielt-verträumten Inszenierungen in der Werbefotografie zu einem begehrten Rebellen aufgeschwungen. Mit seinen Anleihen aus der Malerei und Motiven aus der Welt der Fabeln hat sich Recuenco ein künstlerisches Paralleluniversum geschaffen, in dem er kalkuliert Widersprüche einsetzt, um den Blick des Betrachters zu bannen. So bildete er für ein Anzeigenmotiv der Sony Playstation eine zwischen Staub und Spinnweben träumende Schönheit ab und färbte so die kühle Technik der Spielkonsole romantisch ein. Für dieses Foto erhielt Recuenco 2005 den Goldenen Löwen des Werbefestivals in Cannes.
Für die Zigaretten-Marke Lucky Strike inszenierte er unerhört bleiche, Renaissancehafte Frauen, die wie beiläufig ein Bündel Zigaretten um den Hals oder am Gürtel tragen. In Spanien und Frankreich hat sich sein cinematografisch-malerischer Stil in Zeitschriften wie "Vogue" und "Mundo" und in Anzeigen für Chanel schon durchgesetzt, für die deutsche Band Rammstein fotografierte er Plattencover. In der Fotografenwelt gilt der stille Spanier als der Star der Zukunft.
Genauso still und überlegt
schaute sich Recuenco im Spätsommer das Waldstück bei München an, in dem er für den stern fotografieren wollte. Im Fundus der Bavaria-Filmstudios spazierte er anschließend wie ein Kind durch ein Spielzeug-Kaufhaus; fast alles, was er sah, wurde zur Requisite seiner Bilderfantasie. Mit einer kalkulierten Balance aus Technik und Natürlichkeit entstanden dann die Bilder, die Recuenco mit einer Digitalkamera aufnahm. Die Möglichkeiten der Computerverfremdung aber ignorierte er komplett. Der Spanier bestand darauf, nur in der Nacht zu fotografieren, bis die ersten Sonnenstrahlen die Magie der Dunkelheit auflösten. Der Wald, sagt er, sei ihm vorgekommen "wie eine Schatztruhe der Geheimnisse", ein Dickicht, in dem "wir uns alle möglichen Leben vorstellen können".
Die Energie, mit der er da nachts in einem bayerischen Waldstück jedes Baumblatt und jeden Ast ins Licht setzte, erinnert an das Handwerk von Pedro Almodóvar oder Gaud': Es geht darum, ein barockes und gleichzeitig klares Bild zu schaffen, eine Stil-Melange. Recuenco zuckt mit den Schultern und sagt: "Das muss wohl so sein."