Bis kurz vor Schluss hielt das Modevolk den Atem an. Geschickt hatte die Pariser Chambre Syndicale, in der die französischen Designer vereint sind, bei den Pret-á-Porter-Schauen für Frühjahr/Sommer 2005 einige Höhepunkte auf die letzten Tage gelegt. Waren in den Saisons zuvor viele Besucher nach ein paar Tagen abgereist, hielten sie das Debüt von Tom Fords Nachfolger Stefano Pilati als Kreativchef bei Yves Saint Laurent Rive Gauche und die Schau von Louis Vuitton noch auf den Plätzen. Und trotz der 90 Defilees und rund 20 Präsentationen in kleinerem Rahmen mit einer insgesamt heiteren, doch wenig aufregenden Mode war die Luft auch zum Schluss noch nicht raus.
Die schwere Nachfolge des Superstars der Designer
Der Mailänder Stefano Pilati ist in Wirklichkeit nicht neu bei Saint Laurent. Er hat hier schon unter Tom Ford gearbeitet, nachdem er zuvor bei Armani und Prada tätig war. Dennoch: Nun den Stab vom Superstar der Designer zu übernehmen, gleicht einer Sisyphus-Aufgabe. Pilati versuchte eine Vergleichbarkeit mit Fords sexy Look zu vermeiden und knüpfte in seiner Schau am Sonntagabend an die sanfte und damenhafte Eleganz von Yves Saint Laurent selbst an. Knappe Schößchenjacken oder leicht gerundete Boleros waren mit großen Knöpfen versehen, die Taille wird von breiten Lackgürteln betont. Die Röcke enden knapp über dem Knie oder sind schenkelkurz, formen die Figur nach und tragen manchmal einen Volant auf dem Po. Zum Cocktail gibt es Ballonkleider aus Tüll in Türkis oder Nachtblau oder schmale fließende Modelle in Pink. Abends folgen lange Roben mit schürzenartigen Oberteilen in schwarzer zarter Seide, geschmückt mit einem eingewebten Punktmuster.
150 Jahre Louis Vuitton
150 Jahre wird Louis Vuitton in diesem Jahr, und trotz des hohen Alters scheint sich die Luxusmarke zu immer neuen Erfolgen aufzuschwingen. 1854 wurde das Label von Louis Vuitton, einem französischen Kofferpacker am Hof Napoleons III., begründet: als Werkstatt für die Fertigung von Koffern mit flachen Deckeln. Da diese stapelbar waren und zudem durch einen Überzug aus Knochenleim wasserdicht, wurden sie schnell zum Hit. Und schon 1886 ließ ihr Erfinder einen Bezug fertigen und ein Monogramm ersinnen, um sie unverwechselbar zu machen und vor Nachahmern zu schützen. Heute gelten Vuitton-Koffer als das Gepäck der Hollywood-Stars - schon Marlene Dietrich ging damit auf Reisen. Das Label ist eines der meistkopierten der Welt. Und seitdem der Amerikaner Marc Jacobs 1997 ins Boot geholt wurde, um eine Pret-á-Porter-Kollektion zu entwerfen, gilt auch die Mode als Kult.
Zurück in die 50er Jahre
Gerade wurde Jacobs’ Vertrag um zehn Jahre verlängert - und vielleicht wartete seine Modenschau deswegen mit kräftigen Effekten auf. Die Schauspielerin Christina Ricci eröffnete das Defilee in einem schwarzen Stretch-Ensemble mit Bleistiftrock und Puffärmeln. Dann folgte eine Explosion von Farben, Glanz und Kreismustern. Lila, Himbeere, rauchiges Türkis, Nachtblau, und das alles in kostbarem Crêpe-de-Chine, erscheint durch Pailletten und Glitzer-Effekte beinahe wie ein neuer Disco-Look. Allerdings: Die Schnitte erinnern mit ihren weiten knapp knielangen Röcken, der Taillierung und den oft hoch geschlossenen, mit Knöpfen und Volants besetzten Oberteilen eher an die 50er Jahre. Dazu gibt es in der kommenden Saison die neue Kollektion von Vuitton-Sonnenbrillen, die dem Label bestimmt neue Verkaufsrekorde bescheren.
Kenzo mag's ethnisch
Ethnisch inspiriert war hingegen die zweite Kollektion von Antonio Marras für Kenzo. Afrikanischer Schmuck wird zu überwiegend langen Röcken und Kleidern getragen. Reich wirken Stoffe mit floralen Drucken und wunderschön die Farben wie Indigo, Wüstentöne, Schwarz, Weiß und Rot. Der Sarde Marras ist mit seinem harmonischen Mix folkloristischer Einflüsse genau der richtige Mann für die als bunt und fröhlich bekannte Marke Kenzo. Am Montag ging das Modespektakel in Paris zu Ende.