Prêt-á-Porter-Schauen Graue Mäuschen aus Paris

Von Elke Reinhold
Geht es nach dem Willen der Designer, wird der Winter in der nächsten Saison trist und grau. Zumindest bei der Farbwahl der Kleidung. Denn Grau scheint die neue Trendfarbe zu werden. Um Tristesse vorzubeugen, darf mit Accessoires gespielt werden.

"Die Farbe ist der Ort, wo unser Gehirn und das Weltall sich begegnen", diesen Satz hat der französische Impressionist Paul Cézanne geprägt. Da, wo sich die internationale Modewelt letzte Woche begegnete, war es vor allem Grau: Bei den Pariser Schauen für die nächste kalte Jahreszeit zeigten die Modeschöpfer nun schon zum dritten Mal in Folge Kollektionen in allen möglichen Deklinationen von Grau. "Die Welt ist grau, und Grau ist keine Farbe!": das sagte Erich Kästner, und, um auf Cézanne zurück zu kommen, würde sich daraus in etwa schließen lassen: Da, wo unser Gehirn und das Weltall sich begegnen, ist im Moment ein Nichts, oder zumindest nicht viel.

Vielleicht ist es das, dieses Gefühl von Leere, die Angst vor dem Nichts oder vor dem, was als nächstes kommen könnte, das die Designer aktuell dazu bewegt, die Frauen mit einer Vielzahl von Schutzvorrichtungen auszustatten. Denn ihre Mode ist zwar grau, auch dunkelblau und sehr viel schwarz, aber, und das ist das Neue dieser Saison, sie ist vor allem ein Polster zwischen der Frau und dem Rest der Welt.

Rosier rüstet zum Kampf im Großstadtdschungel

Der französische Designer Gilles Rosier zum Beispiel versieht die Frau im Winter 2007/2008 mit einer dem Fechtsport entlehnten "Schutzkleidung": Breite, dick gepolsterte Schultern, gesteppte Umschläge und halbseitige Westen aus Visiergitter betonen einerseits das Feminine seiner Kleider und Kostüme, und wirken andererseits wie perfekte Uniformen für den Überlebenskampf im Großstadtdschungel. "Zunächst war das Fechten nur ein Vorwand für eine bestimmten Look", sagt er, "ich wollte eine Kollektion für eine starke Frau, und habe mich deshalb mit diesem aristokratischen Sport befasst. Die Kollektion ruft, erst unfreiwillig, dann gewollt, diese starken Bilder von Schutz hervor. Fechten bedeutet Verteidigung, die Kleidung aber auch Schutz vor Kälte, denn die Materialien halten sehr warm. Innenfutter aus steifen Stoffen wie Segeltuch und Metallfasern erzeugen zusätzlich ein Gefühl von Protektion. Es sind laute Stoffe, die bei jeder Bewegung Geräusche machen, wie eine Bettdecke."

Eingemummelt in Unmengen von Stoff kamen auch die Modelle des katalonischen Modemachers José Castro daher: übereinander geschichtete, ungesäumte Baumwolle, XXL-Strick und ausgepolsterte Po-Teile schützen sowohl vor feindlichen Temperaturen als auch vor unfreundlichen Zeitgenossen.

Minimalismus beschränkt sich auf die Farbe

Ob bei Vivienne Westwood: Karodecken, Riesenmützen und Musketierstiefel; Marithé und François Girbaud: Röcke voller Taschen, Korsagen mit Schwimmfesteneffekt; Ann Demeulemeester: Lagen-Look mit Schößchen, High Heels mit Profilsohlen; Givenchy: Military mit zweireihigen Spencern oder A.F. Vandevoorst: Big Wool und bodenlange Lammfellmäntel - die neuen Kollektionen vermitteln das Gefühl, nach allen Seiten abgesichert und auch für die Flucht bestens ausgestattet zu sein.

Auch der sich verfestigende Trend zur Nichtfarbe erinnert schwer an den Beginn der 90er Jahre, als in der Folge der Rezession in Europa und Amerika, des Golfkriegs und des Zusammenbruchs des Ostens der Minimalismus in der Mode herrschte. Diesmal beschränkt sich der Minimalismus jedoch nur auf die Farbe, denn die Schutzkleidung der Zukunft besteht aus einer Fülle von Stoffen, Accessoires und High-Tech-Fasern. Davon machte auch Miuccia Prada reichlich Gebrauch, die die Pariser Prêt-à-Porter-Woche gestern Abend mit ihrer Miu Miu-Show beschloss: Ihre Mäntel, Hosenanzüge und Kostüme aus feinster Wolle sind derart gestärkt, dass sie ihre Trägerin - und Träger - verhüllen wie ein schützender Karton und doch jeder Bewegung nachgeben. Man weiß ja nie, wohin man in diesen schönen Kleidern eilen muss.

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