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SPD im Höhenflug Wie Olaf Scholz beim ersten TV-Triell punkten konnte

Trill Olaf Scholz
Traumwerte für das stille Mäuschen: Laut einer Forsa-Blitzumfrage ist SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz der klare Gewinner des ersten Triells
© Michael Kappeler / DPA
Laut der jüngsten Forsa-Umfrage zum TV-Triell der Kanzlerkandidaten hat Olaf Scholz deutlich gewonnen. Dabei ist er im Vergleich zu seinen Kontrahenten nicht großartig aufgefallen. Der geradlinige, stille Kurs scheint sein Erfolgsrezept zu sein, sagen Experten.

Wenn zwei sich streiten, freut sich bekanntlich der Dritte. Das zeigte sich auch beim gestrigen RTL-TV-Triell der drei Kanzlerkandidaten Armin Laschet (CDU), Annlena Baerbock (Grüne) und Olaf Scholz (SPD). Während Baerbock durch ihren unermüdlichen Aktivismus in Sachen Klimaschutz glänzte, versuchte sich Laschet an einer Parteienkritik. Und Olaf Scholz? "Der blieb seiner Linie treu", resümiert der Politikwissenschaftler Thomas Jäger von der Universität Köln. Mit Blick auf den bisherigen Wahlkampf heißt das: Bloß nicht auffallen. Besser als die anderen Kandidaten sei er nicht gewesen – und hat nun trotzdem im Rennen die Nase vorne, wie eine Forsa-Blitzumfrage unter den Zuschauern ergab.

36 Prozent der rund 2500 Befragten der repräsentativen Umfrage gaben an, Scholz habe das Triell gewonnen. 30 Prozent sahen Baerbock vorne, nur 25 Prozent Laschet. Auch bei der Frage, wer am sympathischsten sei, lag Scholz mit 38 Prozent an der Spitze,  gefolgt von Baerbock (37 Prozent) und abgeschlagen Laschet (25 Prozent). Dabei hatte Scholz am Sonntagabend nicht viel mehr getan als in den vergangenen Wochen des Wahlkampfes auch.

Höhenflug dank inhaltlicher Leere und vermeintlicher Kompetenz

"Bei der Bevölkerungsumfrage nach dem Triell muss allerdings berücksichtigt werden, dass es hier zu einem so genannten confirmation bias kommen kann", gibt Simon Franzmann, Politikwissenschaftler an der Universität Göttingen dem stern gegenüber zu Bedenken. Bei den Ergebnissen handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine Bestätigung bereits bestehender Meinungen bei den Befragten. "Weil sie ohnehin schon positiv eingestellt sind gegenüber einer Person, nehmen sie deren Wirken entsprechend positiver wahr. Hinter den hohen Werten für Herrn Scholz steckt sicherlich auch dieser Effekt", vermutet Franzmann.

Seine Fähigkeit, auch im TV-Triell ein "Solo-Rennen" abzuliefern und inhaltlich noch leerer als seine Kontrahenten daherzukommen, lässt Scholz' Sympathiewerte paradoxerweise ebenfalls in die Höhe schnellen, so Politikwissenschaftler Jäger – ein Phänomen, das noch aus früheren Wahlkämpfen bekannt zu sein scheint. "Merkels Wahlkämpfe waren auch vergleichsweise inhaltsleer und Scholz tut nun so, als könnte er 'weiter merkeln'", sagt Jäger. Ähnlich sieht das Franzmann. "In den vergangenen Jahren waren deutsche Bundestagswahlkämpfe vor allem Kompetenzwahlkämpfe." Die positiven Umfragewerte für den SPD-Kandidaten scheinen ein Indiz dafür zu sein. Als Finanzminister schreibe man ihm in dieser Hinsicht eine hohe Glaubwürdigkeit zu.

Laschet, Scholz und Baerbock beim Triell von RTL

Dass Scholz große Finanzskandale um Wirecard oder den Umgang mit Cum-Ex-Geschäften bei der Warburg Bank möglicherweise mitzuverantworten habe, störe die Bevölkerung offensichtlich weniger. "Während man sich bei Baerbock zu Recht über fehlende Fußnoten aufregt, werden die wirklich großen Skandale bei Scholz ignoriert", sagt Jäger. Womöglich liegt das mit daran, dass die Finanzskandale für viele schwer nachvollziehbar und hoch komplex sind, so seine Vermutung. Das reduziere das Empörungspotenzial.

"Wer stänkert, wird als Kläffer wahrgenommen"

Sympathiepunkte sammelte Scholz im Triell aber nicht nur wegen seinem stillen Scholz-Kurs und der ihm zugeschriebenen Kompetenz. Er habe den gesamten Abend davon abgesehen, seine Herausforderer persönlich zu kritisieren, so Franzmann. Angriffen von Armin Laschet weiche Scholz jedes Mal ruhig aus, ein richtiger Kampf entstehe aber erst, wenn sich der Gegner auch darauf einlässt, so Politikberater Eric Wallis gegenüber dem stern. "Scholz' überlegte und ruhige Art zu sprechen, lassen Angriffe abperlen. Wer dann weiter stänkert, wird als Kläffer wahrgenommen, dem es nicht um die Sache geht."

Der SPD-Kanzlerkandidat habe sich dagegen mit Ruhe und Freundlichkeit hervorgetan. "Herr Laschets positive Worte über Herrn Scholz kamen zögerlicher und nicht so freundlich, wie es für jemanden mit dem Image 'Menschenfreund' eigentlich zu erwarten gewesen wäre", erklärt Franzmann. Zudem habe er sich – im Gegensatz zu Scholz – nicht an die vorgegebene Zeit für das Schlussstatement gehalten. "Solche Dinge sind in der Wahrnehmung vieler Zuschauer eines solchen TV-Formats viel wichtiger als spezifische Details einzelner Sachfragen. Dies gilt insbesondere für die Wählerinnen und Wähler, die unentschieden sind, ob sie nun bei der Bundestagswahl SPD oder Union wählt", fasst Franzmann zusammen.

"Scholz ist kein mitreißender Politiker. Was sonst eine Schwäche ist, wird hier zu einer Stärke", sagt Wallis. Während Annalena Baerbock aggressiver auftrete und Armin Laschet durch seine bissigen Bemerkungen auffällt, werde Olaf Scholz als ausgleichend und überlegt wahrgenommen. "Scholz setzt darauf, dass sich die beiden anderen um den Platz in seiner Koalition fetzen." Während es also um Baerbock und Laschet nicht ruhig werden mag, darf sich der Dritte derzeit im Stillen über die hohen Zustimmungswerte freuen.

cl

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