Fried – Blick aus Berlin Friedrich Merz – warum wir manchmal auch gnädig sein sollten

Illustration Nico Fried
Merkwürdige Unterscheidung: Wie der Kanzler auf Kinder blickt
© Patrick Slesiona/stern; Fotos: Adobe Stock
Kanzler Friedrich Merz unterscheidet in einer Talkshow eigene von uneigenen Kindern. Das ist natürlich dummes Zeug. Trotzdem kommt er diesmal mit einem sanften Tadel davon.

Friedrich Merz hat zwei Töchter und einen Sohn. Alle drei sind erwachsen, berufstätig und führen ihr Leben in Unabhängigkeit von ihrem Bundeskanzlervater. Dass es einen Menschen prägt, Kinder zu haben, steht außer Frage. Und man kann sich vorstellen, dass es bei einem Politiker auch Einfluss auf die Politik hat, was nicht bedeutet, dass kinderlose Politiker schlechtere Politik für Kinder machen. So in etwa hätte es Friedrich Merz darstellen können, als er jüngst bei Caren Miosga davon berichtete, wie schwer es ihm falle, über das Leid von Kindern zu reden. Alles wäre gut gewesen.

Wie Friedrich Merz sich als Vater von Gerhard Schröder abgrenzt

Doch stattdessen nahm der Kanzler eine merkwürdige Unterteilung vor. "Ich bin der erste Bundeskanzler seit 1998, der eigene Kinder hat", sagte Merz. Und fügte hinzu: "Das prägt auch mein politisches Arbeiten." Der Kanzler wollte damit nicht nur einen Unterschied zu seinen Vorgängern Olaf Scholz und Angela Merkel aufzeigen, sondern offenkundig auch zu Gerhard Schröder, der im Laufe seiner Kanzlerschaft mit Ehefrau Doris Schröder-Köpf eine Tochter adoptierte. Solche Kinder gelten für Merz nicht als "eigene" Kinder, geschweige denn Kinder aus früheren Ehen der Partner, wie es sie bei Schröder und Merkel gab. Sind also nur selbst gezeugte Kinder "eigene" Kinder? Vor allem aber: Prägen eigene Kinder die Politik eines Politikers tatsächlich anders als uneigene Kinder, wie es der Kanzler suggeriert? Anders gefragt: Muss ich mich schon wieder aufregen über Friedrich Merz?

Jetzt mal durchatmen.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber wenn ich mir Interviews mit Friedrich Merz anschaue, empfinde ich allein schon deshalb eine gewisse Erleichterung, weil dieser Kanzler meistens in geraden deutschen Sätzen Fragen beantwortet – mitnichten immer zu meiner politischen Zufriedenheit, aber doch im erkennbaren Bemühen, sich zu erklären. Das unterscheidet ihn von seinem Vorgänger Olaf Scholz, der Interviews allzu oft nicht dazu nutzte, etwas mitzuteilen, sondern etwas zu verschweigen, sich in kurzen Antworten gefiel, in Rätseln sprach und sich an seinem Herrschaftswissen erfreute.

Aus der Sicht eines Journalisten hat Merz auch einen bemerkenswert offenen Begriff von der Kommunikation über Gespräche hinter geschlossenen Türen, zumal, wenn sowieso schon Informationen durchgesickert sind. Der Kanzler erläutert dann, wie er in einer Fraktionssitzung seinen Vizekanzler Lars Klingbeil, SPD, gegen Kritik aus den Reihen der Union in Schutz nahm. Oder er berichtet, dass es in einem Telefonat mit Benjamin Netanjahu ordentlich rumpelte. Diskretion in der Politik ist ein hohes Gut. Trotzdem findet Merz ein respektables Maß, sich nicht um jede Antwort mit der so beliebten wie einfachen Begründung herauszureden, aus vertraulichen Gesprächen berichte er nicht.

Wer mehr redet, riskiert auch mehr

Merz macht sich damit angreifbar. Wer mehr redet, setzt sich einem größeren Risiko aus, ungenau zu formulieren oder etwas Falsches zu sagen. Das Wort von den eigenen Kindern und ihrer Bedeutung für die Politik fand ich falsch.

Trotzdem habe ich für mich persönlich eine Art einseitigen Deal mit Merz vereinbart. Wenn er weiter in der bisherigen offenen Art über seine Politik spricht, bin ich bereit, mich nicht mehr über jedes problematische Wort des Kanzlers gleich mächtig aufzuregen, sondern es bei einem freundlichen Tadel zu belassen.

Wahrscheinlich tut uns das sogar beiden gut.

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