Rasur Wenn's mal wieder glatt gehen soll

Mit ihrer Rasur können Männer es den Frauen sowieso nie recht machen. Aber sie können sich wenigstens bemühen.

Es fällt schwer, Männer ernst zu nehmen, die sich elektrisch rasieren - auch wenn das erschreckend viele sind. Vielleicht sind sie Feiglinge, die Angst haben, sich zu schneiden, weil sie kein Blut sehen können. Oder waren sie in ihrer Pubertät zu schüchtern, den Papa zu fragen, wie das mit dem Rasieren eigentlich funktioniert? Das erste Mal ist für Jungs nämlich genauso peinlich wie für Mädchen, wenn Mama ihnen den ersten BH kauft.

Mehr noch als eine Kulturtechnik ist die Rasur eine Notwendigkeit. Im Laufe seines Lebens schert ein Mann etwa 800 Meter Haar aus seinem Gesicht, und man kann sich leicht vorstellen, wie sehr es die Bewegungsfreiheit einschränken würde, wenn er es nicht täte. Natürlich hat niemand 800 Meter Wildwuchs auf seiner Brust zu befürchten, unter den Achseln oder sonst wo. Warum sich manche Männer trotzdem mit den absurdesten Rasurgebieten beschäftigen? Es ist auch ein sozialer Zwang. Und der Wunsch nach Fortpflanzung: Männer wollen Frauen gefallen. So billig erklärt sich das.

Es ist ja abgemachte Sache

, dass wir Männer die Welt retten werden. Aber vorweg kümmern wir uns erst mal um das Schicksal der Kosmetikindustrie. Es vergeht kaum ein Monat, ohne dass, wie Werber so was formulieren, eine "neue Herrenpflegeserie gelauncht" würde. Cremes, Öle, Gels, die es für Frauen schon immer gab, auf deren Packungen jetzt eben man steht, homme oder uomo. Marktforscher sehen ein Wachstumspotenzial von 27 Prozent weltweit bei der Männerkosmetik, was für uns nur bedeuten kann: auf zu Douglas statt zu Obi; das wichtigste Werkzeug des Mannes steht im Bad neben dem Zahnputzbecher und heißt Mach3.

Durchschnittlich verbringt ein Mann im Leben 3350 Stunden gemeinsam mit seinem Rasierer. Und weil ihn das allein nicht dazu bewegt, Pflegeprodukte wie post shave healer, Rasierseife mit Palmöl oder Tea Tree Relief Spray zu kaufen, geschweige denn ein Poetic Waxing Kit, genau deshalb haben Marketingleute den so genannten metrosexuellen Mann erfunden. Der benimmt sich, grob vereinfacht, wie eine Schwuchtel, ohne allerdings so richtig schwul zu sein. Früher hätte man ihn Narziss geheißen, aber weil im Mythos das Begehren des Narziss trotz seiner Schönheit unerfüllt blieb, musste ein neuer, erfolgversprechender Begriff her, um endlich auch mal die Kerle in Fitness-Studios und deren Wellness-Abteilungen zu treiben.

Natürlich macht es auch Männern gelegentlich Spaß, vor dem Spiegel rumzutussen und irgendwelche Essenzen auszutesten. Und mitunter sind Erfindungen wie Turnaround-Cremes recht praktisch, weil sie nach lustigen Nächten dem Kater im Gesicht etwas von seiner Dramatik nehmen. Aber letztlich stehen Männer vor einem unauflösbaren Dauerkonflikt: Mann oder Manuela. Sie können es Frauen ohnehin kaum recht machen.

Ja, Frauen finden es toll

, wenn Männer gut duften. Aber Männer wollen wenigstens nach Abenteuer und wildem Leben riechen, wenn sie schon schlaff aus dem Büro kommen. Und die Wendung "so glatt wie ein Babypopo" geht allenfalls unter windschlüpfrigen Controllern noch als Kompliment durch. In Wahrheit finden sowieso die meisten Frauen Dreitagebärte sexy, nur bitte nicht abends im Bett. Könnte ja kratzen - und beim Frühstück soll's dann wieder verwegen sprießen. Aber lässt man dann einen Bart fünf, sechs Tage stehen, damit er wieder flauschig wird wie ein Teddybär, heißt es, man sehe ungepflegter aus als ein Buschkämpfer.

Vielleicht sind die Männer ja selbst schuld. Sind sie nicht Teil der Verschwörung? Die meisten Trends entstehen in irgendwelchen Werbeagenturen, und wer hat dort das Sagen? Die Männer. Sie haben daran mitgearbeitet, das männliche Schönheitsideal konsequent von Tom Selleck alias Magnum hin zu Bubi-Beaus wie David Beckham oder Leonardo DiCaprio zu entwickeln. Und nun verzweifeln aufgeklärte Männer an ihrer Geschlechter-rolle. Die Soziologie spricht in diesem Zusammenhang von gender trouble, was letztlich bedeutet, dass die Grenzen im Verhaltensmuster von Männlein und Weiblein sich allmählich auflösen. Wenn jetzt also Männer damit anfangen, sich die Achselhaare zu rasieren - führt das umgekehrt vielleicht dazu, dass Frauen bald im Stehen pinkeln?

Früher waren

die Männer dafür zuständig, Frauen hinterherzuglotzen. Oder hinterherzupfeifen. Wie wir nicht zuletzt aus der Cola-Light-Reklame lernen, ist das vorbei. Die neue sexuelle Aggressivität der Frau, die von Serien wie "Sex and the City" befeuert wird, macht inzwischen die Männer zu Objekten. Ist das der Grund, weshalb Jungs in Fitness-Studios Muskelpartien trainieren, von deren Existenz Gelegenheitssportler noch gar nichts wussten? Führen sie deshalb im Saunabereich rasierte Mucki-Bodies mit knappsten Handtüchern über den Genitalien spazieren, damit auch ordentlich was zu sehen ist für die anwesenden Damen? Der unbewachsene Mann war gewiss schon in der Antike ein Schönheitsideal, ihren Durchbruch erlebte die Oberkörper-Rasur in der Neuzeit allerdings erst mit der Erfindung des Waschbrettbauchs.

Natürlich ist es komplett unstrittig, dass Dschungelbrust, behaarter Rücken und Schultern eher was für die Fernsehshow "Fear Factor" sind als fürs Freibad. Konsequenterweise haben deshalb in Städten wie New York und Paris namhafte Kosmetikinstitute längst eigene Herrensalons eröffnet, in denen man sich schmerzhaften Teil-Enthaarungsprozeduren unterzieht, für die Männer nun eigentlich nicht gemacht sind.

Für diesen Trend

hat die zuständige britische Stil-Bibel "Wallpaper" einen zauberhaften Begriff geprägt: manscaping. Hier ein bisschen epilieren, dort ein wenig das Brusthaar trimmen oder zwirbeln - und es im Zweifel noch dem Kopfhaar entsprechend einfärben. Manscaping, das klingt nach landscape, Landschaft also, und vielleicht ist die passende Analogie für kontrollierten Körperbewuchs tatsächlich in der Kulturgeschichte der Gärtnerei zu suchen: Der englische Landschaftsgarten versucht, die Schönheit der Natur zu überhöhen, indem er ihr ein natürliches, aber idealisiertes Abbild erschafft.

Der Gegenentwurf dazu ist übrigens der französische Renaissance-Garten, der Versailler Schlosspark etwa, dessen Pendant im Gesicht des Stuttgarter Stürmers Kevin Kurany zu findet ist: Dessen Bart wird geprägt von strenger geometrischer Formgebung; und man ahnt, wie lange das morgens im Bad wohl dauert, bis er mit seiner Rasur fertig ist. So was können aber nur Fußballprofis tragen. Oder Besitzer von Kleinstadt-Boutiquen.

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Markus Götting

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