Gesetzesänderung Hinrichtung trotz Uneinigkeit: Floridas Gouverneur DeSantis senkt Hürde für Todesurteile drastisch

Ron DeSantis
DeSantis, der bei den kommenden Präsidentschaftswahlen als potenziell größter Konkurrent für Ex-Präsident Donald Trump gilt, hatte in den vergangenen Wochen und Monaten mehrfach mit umstrittenen Gesetzesentwürfen von sich reden gemacht
© Sean Rayford / Getty Images / AFP
Floridas Gouverneur Ron DeSantis macht erneut mit einem umstrittenen Gesetzesentwurf von sich reden. In Zukunft soll in keinem anderen US-Bundesstaat die Hürde für Hinrichtungen niedriger sein. Selbst, wenn sich vier Geschworene dagegen aussprechen, sollen Richter Kriminelle zur Hinrichtung verurteilen können.

Über die Frage, ob ein Mensch lebt oder stirbt, muss in Florida fortan nicht mehr Einstimmigkeit herrschen. Der republikanische Gouverneur Ron DeSantis hat am Donnerstag einen Gesetzesentwurf unterzeichnet, laut dem in Zukunft lediglich acht von zwölf Jury-Mitglieder ein entsprechendes Urteil empfehlen müssen. Dies macht Florida zum US-Bundesstaat mit der niedrigsten Hürde für Todesstrafen.

"Heute habe ich ein Gesetz unterzeichnet, das sicherstellt, dass die Opfer der abscheulichsten Verbrechen Gerechtigkeit erfahren", twitterte der 44-jährige Republikaner. 

An dieser Stelle hat unsere Redaktion Inhalte von Twitter / X integriert.
Aufgrund Ihrer Datenschutz-Einstellungen wurden diese Inhalte nicht geladen, um Ihre Privatsphäre zu schützen.

Urteil über Parkland-Schützen Nikolas Cruz hatte Debatte ausgelöst

Ausgelöst worden war die Debatte, als drei Geschworene im vergangenen Jahr gegen eine Todesstrafe für den Parkland-Schützen Nikolas Cruz entschieden hatten (der stern berichtete). Cruz hatte im Februar 2018 in der Marjory Stoneman Douglas Highschool 17 Menschen erschossen – 14 Schüler und drei Erwachsene. Angehörige der Opfer waren erzürnt über den Beschluss der Jurymitglieder.

"Vor ein paar Monaten mussten wir ein weiteres tragisches Versagen des Justizsystems hinnehmen. Die heutige Änderung des Gesetzes in Florida wird hoffentlich andere Familien vor der Ungerechtigkeit bewahren, die wir erlitten haben", sagte der Vater eines Parkland-Opfers nun einer Erklärung zufolge. 

Gegner befürchten, "dass noch mehr Unschuldige zu schaden kommen"

Die Aktivisten von "Floridians for Alternatives to the Death Penalty" kündigten an, das Gesetz umgehend anfechten zu wollen. "Wenn eine der Hauptbegründungen für die Todesstrafe darin besteht, den Opfern Trost und Endgültigkeit zu spenden, dann bewirkt die Einführung dieses neuen verfassungswidrigen Gesetzes mit ziemlicher Sicherheit das Gegenteil", erklärte Maria DeLiberato, die Direktorin der Gruppe. DeLiberato sprach von einem juristischen Rückschritt, schließlich habe der Oberste Gerichtshof der USA ein ähnliches Gesetz in der Vergangenheit bereits 2016 gekippt. Bis zum anschließenden Beschluss des Supreme Court von Florida hatte hier eine einfache Mehrheit von sieben zu fünf Stimmen für ein Todesurteil ausgereicht. 2020 beschäftigte sich das Gericht erneut mit der Frage. Diesmal hatten allerdings drei von DeSantis eingesetzte Richter Mitspracherecht – das Einstimmigkeitsprinzip wurde aufgehoben.

Auch die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) stellte sich vehement gegen DeSantis' Entwurf. In keinem anderen Bundesstaat seien so viele Todeskandidaten entlastet worden – das neue Gesetz würde unweigerlich dazu führen, "dass noch mehr Unschuldige zu Schaden kommen". Zahlen des Death Penalty Information Center zufolge wurden seit 1976 30 Menschen, die zum Tode verurteilt worden waren, inzwischen entlastet. Derzeit säßen 323 Menschen im Todestrakt.

Bislang galt in 26 der 27 Bundesstaaten, in denen die Todesstrafe gilt, das Einstimmigkeitsprinzip. Nur in Alabama durften zwei Geschworene vom Konsens abweichen. Der Gesetzesentwurf in Florida sieht weiterhin vor, dass als Voraussetzung für ein Todesurteil die Jury einen Angeklagten einstimmig für schuldig befinden muss. Laut "New York" Times liegt derzeit auch ein Gesetzesentwurf auf DeSantis' Schreibtisch, der die Todesstrafe für Angeklagte ermöglichen würde, die wegen sexueller Gewalt gegen Kinder verurteilt werden.

DeSantis' Kulturkampf in Florida

DeSantis, der bei den kommenden Präsidentschaftswahlen als potenziell größter Konkurrent für Ex-Präsident Donald Trump gilt, seine Kandidatur aber noch nicht bekanntgegeben hat, hatte in den vergangenen Wochen und Monaten mehrfach mit umstrittenen Gesetzesentwürfen von sich reden gemacht. Mitte April hatte das republikanisch dominierte Parlament in Tallahassee ein Verbot von Abtreibungen ab der sechsten Schwangerschaftswoche erlassen – eines der restriktivsten Gesetze im ganzen Land.

Zudem werfen Kritiker dem Gouverneur vor, einen regelrechten Kulturkampf an Floridas Schulen zu betreiben. Erst kürzlich hatte der Konservative ein weitgehendes Verbot von Schulunterricht über sexuelle Orientierung und Geschlechteridentität durchgedrückt. Solche Kurse sollen in Zukunft nur Ausnahmefällen erlaubt sein. DeSantis hat sich und seine Anhänger auch gegen die aus seiner Sicht linke Indoktrinierung an Hochschulen des Sunshine State eingeschworen. 

Am Tag seiner erneuten Amtseinführung im November vergangenen Jahres als Gouverneur (bei der er mit fast 60 Prozent der Stimmen einen Erdrutschsieg eingefahren hatte) versprach er vor 4000 glühenden Anhängern, niemals "vor dem woken Mob" kapitulieren zu wollen und Floridas Kinder "immer gegen diejenigen verteidigen, die sie ihrer Unschuld berauben wollen". Die Menge klatsche sich minutenlang in Ekstase, heißt es. 

Quellen: CNN; "The New York Times"