Bislang war unklar, inwiefern sich ein Mann mit dem Akt des "Stealthings" strafbar macht – also wenn er während des Geschlechtsverkehrs unbemerkt das Kondom abnimmt und einfach weitermacht.
Nun gibt es erstmalig ein – bislang noch nicht rechtskräftiges – "Stealthing"-Urteil in Deutschland: Ein 37-jähriger Bundespolizist wurde vom Amtsgericht in Berlin zu einer achtmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt – wegen sexuellen Übergriffs. Außerdem muss er der jungen Dame, die ihn im November letzten Jahres angezeigt hatte, 3095,59 Euro Geldstrafe zahlen.
Das Gericht musste entscheiden, ob es sich bei dem Tatbestand um einen Übergriff oder eine Vergewaltigung handelt – eine Frage, die im Zusammenhang mit "Stealthing" immer wieder fällt. Dr. Jesko Baumhöfener, Strafverteidiger in Hamburg, hatte NEON im Mai dazu bereits gesagt: "Wenn die Durchführung des Geschlechtsverkehrs davon abhängig gemacht wurde, dass ein Kondom verwendet wird, könnte damit die Art beziehungsweise Form der Durchführung des Sexualverkehrs vorher klar definiert sein. Verstößt der Sexualpartner gegen diese vorherige Absprache, könnte man darin – unter Berücksichtigung des Schutzguts der Vorschrift – einen sexuellen Übergriff gemäß § 177 Abs. 1 StGB sehen, der sogar eine Mindeststrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe nach sich ziehen würde (§ 177 Abs. 6 StGB), weil der Beischlaf vollzogen wurde."
Gericht: "Stealthing" ist strafbar – aber keine Vergewaltigung
Auch diesem Fall entschied sich das Gericht gegen ein Vergewaltigungsurteil, da "der Geschlechtsverkehr an sich einvernehmlich war", so die Gerichtssprecherin laut "Spiegel Online". Strafbar sei allerdings das Weglassen des Kondoms als unerlaubte sexuelle Handlung, da die Verwendung des Präservativs für die Klägerin Bedingung für den Sex gewesen sei. Laut ihr hatte der Angeklagte zunächst ein Kondom getragen, es dann aber beim Stellungswechsel abgezogen und den Geschlechtsverkehr von hinten ungeschützt weitergeführt – was ihr erst nach der Ejakulation aufgefallen sei. Sie sei hiermit einem höheren Risiko für Geschlechtskrankheiten und ungewollte Schwangerschaft ausgesetzt gewesen, habe sich missbraucht gefühlt und den Polizisten deshalb angeklagt, so die junge Frau.
Laut der "B.Z." behauptet der Angeklagte selbst, das Kondom sei gerissen. Nur deshalb habe er es abgestreift. Das sei zwar "nicht ganz in Ordnung" gewesen, aber er sei "außerhalb zum Orgasmus gekommen". Er selbst hatte den Freispruch verlangt, weshalb die Verteidigung bereits Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt hat. Wäre der Mann wegen Vergewaltigung verurteilt worden hätte er nicht nur mit einer Mindeststrafe von zwei Jahren, sondern auch mit einer Entfernung aus dem Staatsdienst rechnen müssen.
