Beim Öffnen meines Facebook-Feeds springt mir Hass entgegen. Purer, lauter, inständiger Hass, der sich in meinen Körper frisst und all meine Haare aufstellen lässt. Gänsehaut, Angst, Wut. Und vor allem eins: absolute Ratlosigkeit. Bis auf eine Frage, die sich immer wiederholt: "Was soll ich jetzt tun?"
Meine Mutter hat eine klare Meinung dazu. Als ich gestern Abend völlig aufgebracht aus dem Film "BlacKkKlansman" kam, erreichte mich eine besorgte Nachricht von ihr. "Ich bin sehr beunruhigt über das, was gerade in Chemnitz abgeht. Bitte, bitte sei ein bisschen vorsichtig. Und wenn solche Nazi-Demos stattfinden, dann geh bitte weg!!! Das sind gehirnlose Bösewichte. Hasserfüllt. Da nützt Mutigsein gar nix. Also bitte lauf nicht überall so sorglos rum und bitte pass auf."
Meine Mutter hat Angst
Meine Mutter hat Angst. Angst um ihr Kind mit brauner Haut und Afrohaar. Die hatte sie schon immer. Da, wo wir herkommen, gab es in den 90er Jahren nämlich tatsächlich Naziaufmärsche, bei denen ich mich dann verstecken musste. Ein Rechtsradikaler hat mir als Kleinkind tief in die Augen geschaut, ist mit seinem Finger über seinen Hals gefahren und hat mir so symbolisiert, was er am liebsten mit mir machen würde. Meine größte Angst seitdem ich denken kann: Neonazis.
Dann wurde es besser. Weniger Glatzen mit Springerstiefeln. Weniger Hass. Weniger Hitlergrüße. Bis die Flüchtlingskrise, Pegida, Trump und die AfD plötzlich all die braunen Keime wieder gedeihen ließ, ich jetzt meinen Facebook-Feed öffne und jene Szenen aus Chemnitz sehe.
Am liebsten würde ich wegrennen
Mein Herz tut mir weh, mein ganzer Körper. Am allerliebsten würde ich meine Augen verschließen, davor wegrennen. Doch das geht nicht. Das können wir nicht. Und das wollen wir auch nicht! Mama sagt, es hilft kein Mut. Und wisst ihr was? Das befürchte ich auch. Ich befürchte, dass es für mich nicht möglich ist, direkt etwas gegen die Meinung dieser Menschen zu tun. Ich kann sie nicht von ihrer Ideologie abbringen. Ich kann mit besorgten Bürger, die die AfD wählen, sprechen. Ich kann aber keine Neonazis davon abhalten, Migranten zu jagen. Und falls es einen Weg gibt, diese Menschen noch von positiven Werten zu überzeugen, dann bin ich sicherlich nicht die richtige Person. Denn abgesehen davon, dass die mir nicht zuhören würden, würden die mir auch nicht glauben.
Deshalb ist es wichtig, dass wir alle gemeinsam unsere Stimme erheben; alle gemeinsam gegen Ausländerfeindlichkeit aufstehen. Gemeinsam sind wir stark! Wir müssen dafür sorgen, dass wir alle sorglos in Deutschland leben können. Dass sich die Intoleranz nicht noch weiter nach vorne prügelt! Dass Mütter keine Angst um ihre Kinder haben! Dass die Polizei die Lage nicht unterschätzt! Dass der Hass sich nicht noch mehr verbreitet! Denn WIR sind das Volk! WIR sind das Volk und nicht die!
