Es war das Thema dieses Europawahlkampfes: Umweltpolitik. Aktivistin Greta Thunberg, der Youtuber Rezo, die Schüler bei den "Fridays for Future"-Demos – alle legten den Blick auf die Zukunft unseres Planeten. Am Ende war wohl genau dieser Diskurs ausschlaggebend für die Wahlentscheidung vieler Bürger. Denn mit 22 Prozent sind die Grünen, die in Deutschland wie keine andere Partei für das Thema Klima- und Umweltschutz stehen, hinter der Union (28,9 Prozent) die zweitstärkste Kraft und können ihr Ergebnis im Vergleich zur letzten Wahl 2014 um fast zehn Prozentpunkte steigern. Die früher gern als "Ökopartei" verschrienen Grünen mausern sich zur neuen Volkspartei – und das liegt wohl vor allem an den jungen Wählern.

Denn in der Gruppe der unter 30-Jährigen wählten laut Angabe der Forschungsgruppe Wahlen 33 Prozent die Grünen. Weit abgeschlagen mit 13 Prozent folgt auf Platz zwei die CDU, gefolgt von der SPD (10 Prozent). Danach die Überraschung: den vierten Platz teilen sich die FDP und die Satire-Partei "Die Partei" um den Komiker Martin Sonneborn, der aus der "heute-Show" bekannt ist. Damit kommen die Grünen bei den unter 30-Jährigen auf mehr Stimmen als Union, SPD und FDP zusammen – mehr als jeder Dritte Erstwähler hat sein Kreuz also bei der Umwelt-Partei gemacht. Und das ist nicht alles: Würden in Deutschland nur die Stimmen der Erstwähler gelten, wären die Grünen mit 36 Prozent stärkste Kraft – vor der Union (11 Prozent) und der "Partei" (9 Prozent). FDP und SPD wären abgeschlagen auf den hinteren Rängen.
Während die Grünen also einen "Sunday for Future" feiern, wie es Spitzenkandidat Swen Giegold in Anlehnung an die "Fridays for Future"-Demonstrationen nennt, sind die etablierten Parteien wie Union und SPD abgemeldet. Und das liegt eindeutig am Thema Klima, wie Nachwahlbefragungen zeigen. In Umfragen von ARD und Infratest dimap gaben 48 Prozent der Befragten an, dass Klima- und Umweltschutz für sie eine große Rolle bei der Wahlentscheidung gespielt habe. Das sind 28 Prozent mehr als noch im Jahr 2014. Und dabei gelten die Grünen für über die Hälfte der Befragten als kompetenteste Partei, wenn es um den Umgang mit diesen Fragen geht.
Und dieses Ergebnis könnte erst ein Ausblick sein, wie es in den nächsten Jahren weitergeht – schließlich konnten viele der "Fridays for Future"-Aktivisten und -Aktivistinnen bei dieser Europawahl noch gar nicht wählen, weil sie unter 18 Jahren alt sind. Geht man nach den Geburtenraten der Jahrgänge, die bei der nächsten Wahl im Jahr 2024 das erste Mal ihre Stimme abgeben können, kämen noch einmal über drei Millionen Wähler hinzu.
Ob sich der Klima- und Grün-Trend bis dahin fortsetzt, wird wohl auch maßgeblich vom Umgang der Parteien mit dem Wahlergebnis und der neuen medialen Öffentlichkeit abhängen. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak räumte im ARD-Morgenmagazin ein, dass man verpasst habe, das Thema Klimaschutz im Wahlkampf aufzugreifen. "Da haben wir als Marke überhaupt nicht überzeugen können." CDU-Politiker Norbert Röttgen kritisierte zudem den Umgang seiner Partei mit dem viel diskutierten Video des Youtubers Rezo. Er hatte mit einem einstündigen Clip unter dem Titel "Die Zerstörung der CDU" die Politik der etablierten Parteien angegriffen und damit immerhin fünf Millionen Menschen erreicht. "Die CDU-Spitze war nicht in der Lage, eine erwachsene Antwort zu geben. Das Kommunikationsdefizit ist dramatisch sichtbar geworden", sagte Röttgen im Podcast des Journalisten Garbor Steingart. Der Vorsitzende der Jusos, Kevin Kühnert, postete bei Twitter einfach nur die Wahlgrafik mit den Worten: "Denkt mal darüber nach."
Quellen:Podcast Garbor Steingart
