"Die Antragstellerin hat die Möglichkeit einer Verletzung ihres Rechts auf Chancengleichheit nicht hinreichend substantiiert begründet", erklärte das Verfassungsgericht zur Begründung. Das BSW war bei der Bundestagswahl am 23. Februar mit 4,98 Prozent knapp an der Fünfprozenthürde gescheitert und hatte damit den Parlamentseinzug verpasst.
Bereits im März hatte das Verfassungsgericht mehrere Eilanträge der Partei abgewiesen, mit denen das BSW eine Neuauszählung der Stimmen noch vor der Bekanntgabe es amtlichen Ergebnisses erreichen wollte.
Das Vorgehen war ungewöhnlich. Einsprüche gegen das Bundestagswahlergebnis werden in der Regel nach Vorlage des amtlichen Ergebnisses beim Bundestag eingereicht. Dieses tat das BSW inzwischen, das Wahlprüfverfahren dort läuft aktuell.
Parallel ging die Partei vor dem Verfassungsgericht mit zwei Organklagen zur Ausgestaltung des Bundeswahlrechts vor. Diese wies das Gericht nun ab. Mit Blick auf die Forderung nach Einführung eines Rechtsbehelfs zum Zweck der Stimmenneuauszählung bei knappem Scheitern an der Sperrklausel habe das BSW ein Unterlassen des Gesetzgebers nur "behauptet", erklärte das Gericht.
Tatsächlich habe der Bundestag entsprechende Gesetzentwürfe gar nicht beraten oder abgelehnt. Das habe das BSW auch nicht vorgetragen. Ansonsten sei verfassungsrechtlich ohnehin "nicht ersichtlich", woraus sich eine entsprechende konkrete Handlungsverpflichtung des Bundestags ergeben sollte.
Demnach gibt das Grundgesetz nur die Grundzüge des Wahlrechts vor und lässt dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung weiten Spielraum. Vorgaben mit Blick auf Reformen seien dem Bundestag nur mit zwingenden verfassungsrechtlichen Begründungen zu machen. Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Zur Klärung von Vorwürfen der Falschauszählung von Stimmen gebe es bereits das Wahleinspruchs- und Wahlprüfungsverfahren, fügte das Verfassungsgericht an.
Die Ausführungen des BSW zu den Regelungen der Parteieinreihenfolge auf den Bundestagsstimmzetteln gingen hingegen an der geltenden Rechtslage vorbei und seien "sachlich unzutreffend". Die Partei verlange letztlich lediglich eine Reihenfolge, "die sie besser stellt als die von ihr zum Vergleich herangezogenen Parteien". Die Argumentation der Klägerin, sie werde in ihrer Chancengleichheit verletzt, sei vor dem Hintergrund "unverständlich".
Das BSW rief nach Bekanntgabe des Gerichtsurteils den Bundestag zum Handeln auf. "Karlsruhe hat uns auch mit dieser Entscheidung erneut auf den Rechtsweg über den Wahlprüfungsausschuss des Bundestages verwiesen", sagte Ko-Parteichefin Amira Mohamed Ali der Nachrichtenagentur AFP. Nun müsse der Bundestag "endlich handeln".
Das Bundesverfassungsgericht habe "keine Aussage getroffen über die Frage, ob wir einen Anspruch auf Neuauszählung haben oder nicht", sagte Mohamed Ali. Es habe festgestellt, dass es die Möglichkeit einer Wahlprüfungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht gebe, sofern der Wahlprüfungsausschuss des Bundestags nicht in angemessener Frist über den Wahleinspruch des BSW entscheide. "Dass dieser Ausschuss nach wie vor nicht einmal konstituiert ist, ist untragbar", sagte die BSW-Chefin AFP.
Die Partei bleibe dabei: Nach eigenen Recherchen sei es "überwiegend wahrscheinlich, dass wir bei einer Neuauszählung tatsächlich im Bundestag wären", sagte Mohamed Ali.
Das nach Parteigründerin Wagenknecht benannte BSW war durch eine Abspaltung von der Linken entstanden, durch den Übertritt von Abgeordneten war es daher auch im alten Bundestag als Gruppe vertreten. In Umfragen erreichte das BSW zeitweilig beträchtlichen Zuspruch, ein Einzug in den Bundestag schien zwischenzeitlich fast sicher.
Durch einen nachträglichen Einzug des BSW besäße die aktuelle schwarz-rote Bundesregierung keine Mehrheit im Bundestag mehr. "Es geht darum, dass eine Wahl fair ablaufen muss und die Stimmen von knapp 2,5 Millionen Wählern nur dann unter den Tisch fallen dürfen, wenn hundertprozentig sicher ist, dass das BSW die Fünf-Prozent-Hürde verfehlt hat", sagte Wagenknecht dem Magazin "Stern".