Die Bundesbank empfiehlt, den Kreditspielraum des Bundes von derzeit 0,35 Prozent auf 1,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Für einen Anteil von 0,5 Prozent soll es keine Vorgaben geben, weitere 0,9 Prozent sollen für zusätzliche Investitionen reserviert sein. Voraussetzung sei jedoch, dass die Schuldenquote Deutschlands unter 60 Prozent liege. Aktuell sind dies 63,2 Prozent. Bei einem Wert über 60 Prozent soll es laut Bundesbank nur den Kreditspielraum von 0,9 Prozent für Investitionen geben, nicht aber den Sockelwert von 0,5 Prozent.
Über Investitionszuschüsse des Bundes würden demnach auch Länder und Kommunen von den zusätzlichen kreditfinanzierten Mitteln profitieren. Nach den Berechnungen der Bundesbank würde der Kreditspielraum im Fall einer Schuldenquote über 60 Prozent bis 2030 um insgesamt rund 100 Milliarden Euro steigen, im Fall einer Schuldenquote unter 60 Prozent sogar um 220 Milliarden Euro. "Unser Reformvorschlag zur Schuldenbremse bewahrt die soliden Staatsfinanzen und erleichtert gleichzeitig dringend nötige Investitionen", erklärte Bundesbankpräsident Joachim Nagel.
In dem Verbändeappell fordern die fast 30 unterzeichnenden Organisationen Union und SPD auf, die Reform der Schuldenbremse "zum zentralen Bestandteil des Koalitionsvertrags" zu machen. "Leiten Sie mit einem finanzpolitischen Kurswechsel für Bund und Länder eine echte Investitionsoffensive ein, die unser Land modernisiert und zukunftsfähig aufstellt", verlangen die Initiatoren. Beteiligt sind unter anderem der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Klima-Allianz Deutschland, Brot für die Welt und der Paritätische Gesamtverband.
"Von einer funktionierenden Bahn, sanierten Schulen und lebenswerten Städten und Gemeinden profitieren wir alle", erklärte Stefanie Langkamp von der Klima-Allianz. "Immer neue Sondervermögen greifen zu kurz", warnte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Joachim Rock.
Die Schaffung von Sondervermögen sei "nur eine zeitlich begrenzte Untertunnelung der Schuldenbremse", sagte auch die Ko-Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katharina Dröge, im Deutschlandfunk. Es sei besser, gleich die Schuldenbremse zu reformieren, "damit Investitionen in Sicherheit und unsere wirtschaftliche Lage dauerhaft kreditfinanziert möglich sind".
Linken-Parlamentsgeschäftsführer Christian Görke begrüßte den Vorschlag der Bundesbank. Dieser gehe "in die richtige Richtung, weil er deutlich mehr finanziellen Spielraum für dringend notwendige Investitionen im Land bedeutet". Die zusätzliche 60-Prozent-Klausel sei allerdings unnötig.
Mit Blick auf die von Union und SPD diskutierten Sondervermögen forderte Görke SPD und Grüne auf, "der Finanztrickserei der Union eine klare Absage zu erteilen und auf eine Reform der Schuldenbremse zu pochen".
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace kritisierte, dass bisher nur über Sondervermögen für Bundeswehr und Infrastruktur gesprochen werde. "Die Zukunftsaufgabe Klimaschutz bleibt bisher außen vor", hieß es in einer Erklärung am Dienstag. Dort klaffe "eine gewaltige Lücke", etwa für den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel "und den Umstieg auf eine klimaschonende Wärmeversorgung", warnte Greenpeace-Klimaexpertin Sarah Zitterbarth.
Der FDP-Politiker Christoph Meyer erklärte sich allenfalls zur Zustimmung zu einem "Sondervermögen pur" für Beschaffung und Modernisierung der Bundeswehr bereit. Ansonsten müsse die Finanzierung der Streitkräfte aus dem Kernhaushalt erfolgen, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. "CDU und CSU brechen gerade in Rekordgeschwindigkeit ihre Wahlversprechen", warnte er mit Blick auf erwartete zusätzliche Kredite.
Union und SPD setzten am Dienstag ihre Sondierungsgespräche fort, auch am Aschermittwoch soll es weitere Verhandlungen geben. Im Gespräch sind neue oder erweiterte Sondervermögen für Verteidigung und Infrastruktur.