Sechs Tote in der Ukraine und drei Tote in Russland: Inmitten der jüngsten Friedensgespräche überziehen sich beide Konfliktparteien weiter mit Übergriffen. Am Sonntag hatten Delegationen der USA, der Ukraine und mehrerer europäischer Staaten in Genf über einen Friedensplan verhandelt. Die USA hatten vorher einen 28-Punkte-Plan vorgelegt.
Die ursprüngliche Fassung des Papiers verlangte von der Ukraine schmerzhafte Zugeständnisse. Dazu gehörte die Abtretung großer, teils nicht von Russland eroberter Gebiete in der Ostukraine an Moskau, eine Begrenzung der Truppenstärke und den Verzicht auf einen Nato-Beitritt. Der Ursprungsplan kam damit Moskau in zentralen Forderungen weit entgegen.
Die Ukraine und ihre Verbündeten drangen in Genf daher auf eine Überarbeitung des US-Plans.
So kommentieren internationale Medien die Friedensgespräche für die Ukraine
"The Guardian", Großbritannien: "Angesichts der üblichen Selbstbeweihräucherung und Prahlerei, die aus dem Weißen Haus zu hören sind, lässt sich unmöglich sagen, ob eine Verhandlungslösung tatsächlich in greifbarer Nähe ist. Bestimmte Grundsätze müssen jedoch als Ausgangspunkt für sinnvolle Gespräche erneut bekräftigt werden. Die Sicherheit Europas und die Grundprinzipien des Völkerrechts gebieten es, dass Putins brutale Aggression nicht einfach abgesegnet und belohnt wird, sondern dass die Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine Vorrang hat."
"The Times", Großbritannien: "Mit ziemlicher Sicherheit stehen noch wochenlange Verhandlungen bevor. (...) Selbst in der abgeänderten Form stellt der Plan noch eine Einladung an Russland zu einem erneuten Angriff dar. Moskau würde die durch einen Waffenstillstand gewonnene Atempause nutzen, um Lehren aus seiner bisherigen Kriegsführung für seine aufgeblähten Streitkräfte zu ziehen. Dann könnte es Ziele wie den wichtigen Hafen von Odessa angreifen – in der Gewissheit, dass es keine Reaktion der Nato zu befürchten hat."
"Pravda", Slowakei: "Auf dem Tisch liegen jetzt zwei Pläne: der ursprüngliche und der nach den Verhandlungen in Genf von den europäischen Mächten – Deutschland, Frankreich, Großbritannien, aber nicht der EU! – korrigierte. Der Unterschied liegt in Details, aber in wesentlichen. Die Verhandlungen werden weitergehen. Wichtig ist aber etwas anderes. Die Strategie Europas, also der EU plus Großbritannien, und der US-Demokraten hat versagt. (...) Die Fehler sind in der Vergangenheit geschehen. Europa und der ganze Westen haben nämlich ihre Kräfte überschätzt. Die Wirtschaftssanktionen haben nicht so gewirkt, wie erhofft. Aus einem einfachen Grund: Die EU hat nicht mehr genug finanzielle und wirtschaftliche Stärke. Die Russen konnten sie über die neuen wirtschaftlichen Zentren in Asien umgehen. Weder Moskau noch Washington respektieren Europa politisch noch: Die Zeit, als es auf der Welt den Ton angab, sind vorbei. Es hat weder die wirtschaftliche noch die militärische und auch nicht die technologische Macht. (...) Die Welt hat sich verändert, diese Tatsache sollten wir in Europa endlich wahrnehmen – vor allem die 'Großmächte' Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Wenn die EU sich nicht an die veränderte Welt anpasst, überlebt es nicht."
"Trump wird wieder 'sehr enttäuscht' sein"
"Nesawissimaja Gaseta", Russland: "Die Amerikaner erklären, dass es ihnen in Genf gelungen ist, Fortschritte zu erzielen, aber bislang ist nicht klar, was darunter zu verstehen ist. Wenn Fortschritt das Näherrücken realer Friedensverhandlungen und die Unterzeichnung von Dokumenten bedeutet, heißt das, dass die Trump-Administration Kiew und die Europäer überzeugen sollte, die 28 Punkte zumindest in etwa so anzunehmen, wie sie formuliert wurden. Wenn unter Fortschritt ein breiter Kompromiss und die Adaption der ukrainisch-europäischen Sicht auf den Plan gemeint ist, so könnte es wieder zum Teufelskreis kommen: Russland will diesen erneuerten Vorschlag nicht annehmen, alles bleibt auf seinem Platz. Trump wird dann wieder 'sehr enttäuscht' sein."
"Nepszava", Ungarn: "Solange die Führer der beiden Weltmächte (Wladimir) Putin und (Donald) Trump heißen, solange in Russland nichts den Diktator zu bremsen vermag, darf sich die Welt lediglich auf den nächsten bewaffneten Konflikt einstellen. Ohne das Risiko eines Atomkrieges vermag bloß das russische Volk Putin und die Expansion des russischen Reiches aufzuhalten. Und dabei könnten Sanktionen helfen. (...) Sie wirken langsam, aber dennoch. Auch wenn sie die russische Kriegsmaschinerie nicht sofort zum Kollabieren bringen, machen sie dennoch Putin das Leben schwer."
"Dagens Nyheter", Schweden: "Es ist offensichtlich, dass Donald Trump keine eigentlichen Einwände gegen Putins Anspruch auf die Kontrolle seiner Region hat. Trump mag es nicht, wenn Sanktionen Geschäfte erschweren. Und er sieht kein Problem darin, Kiew zu überfahren, um seine Ziele zu erreichen. Doch nun haben die Amerikaner also in Genf mit den Ukrainern und ihren europäischen Freunden verhandelt, mit Marco Rubio an ihrer Spitze. Am Montag glückte es ihnen, eine Reihe von Änderungen an dem Plan vorzunehmen. 28 Punkte wurden auf 19 reduziert. Das Ganze soll nun mit Trump weitergeführt werden. (...) Möglicherweise kann (US-Außenminister Marco) Rubio mit seinem Einsatz Kiew und dem Rest Europas Zeit verschaffen. Doch wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass es vermutlich nur eine Frage der Zeit ist, bis Trump uns für alle gescheiterten 'Friedensversuche' verantwortlich macht und von dannen zieht."
"La Repubblica", Italien: "Der von (US-Präsident) Donald Trump ausgearbeitete Friedensplan existiert nicht mehr. Oder zumindest nicht mehr in der Formulierung, die in den vergangenen Tagen bekannt wurde. Es gibt einen neuen, mit vielen Fragezeichen, die in einem persönlichen Gespräch zwischen Trump und (dem ukrainischen Präsidenten) Wolodymyr Selenskyj geklärt werden müssen. Dies ist das Endergebnis der Gespräche, die in Genf zwischen der US-Delegation, derjenigen Kiews und den europäischen Vertretern stattfanden. Eine 'Wende', die aber dazu bestimmt ist, Moskaus klares 'Nein' hervorzurufen. (...) Ein Treffen zwischen Trump und Selenskyj wird aber nicht sofort stattfinden, um zu vermeiden, dass die mögliche Reaktion des Tycoons den Tisch erneut umwirft. (...) Und die Änderungen machen Moskau bereits nervös."
"Neue Zürcher Zeitung", Schweiz: "(Russlands Präsident Wladimir) Putin will seine Ziele im Ukraine-Krieg erreichen – entweder militärisch oder in Verhandlungen. Das gleicht automatisch einer Kapitulation Kiews. Aus der Perspektive des Kremls sind die Ukraine und ihre westlichen Verbündeten die Aggressoren. Deshalb die Forderungen nach der Verkleinerung der Armee, der juristisch verbrieften Absage an einen Nato-Beitritt und der Beendigung jeglicher Nato-Erweiterung. Zufrieden ist Putin wohl erst dann, wenn in Kiew eine sowohl nach innen – primär gegenüber der russischsprachigen Bevölkerung und der Moskau unterstellten russisch-orthodoxen Kirche – als auch nach außen – in der Hinwendung nach Moskau statt nach Westen – russlandfreundliche Politik betrieben wird und Europa nicht länger Kiew stützt."
"Wall Street Journal", USA: "Das übergeordnete Ziel jedes Friedens ist es, der Ukraine zu ermöglichen, als unabhängige Nation zu überleben, die über ihre eigene Zukunft bestimmen kann. Wenn ihr Volk sich Russland zuwenden möchte, soll es so sein. Doch alle Anzeichen sprechen dafür, dass es sich dem Westen, einschließlich der Europäischen Union und der Nato, zuwenden möchte. Dies bedeutet eine souveräne Ukraine mit den Mitteln, sich militärisch zu verteidigen. Wie dies geschehen soll, sollte in der Entscheidungsgewalt der Ukraine liegen und weder einem US- noch einem russischen Veto unterliegen. (...) Ein falscher Frieden wird die Saat für künftiges Blutvergießen und größere Bedrohungen für die europäische und die amerikanische Sicherheit legen."