Oberstes Gericht in Rumänien ordnet Neuauszählung nach Präsidentschaftswahl an

Der russlandfreundliche Kandidat Calin Georgescu
Der russlandfreundliche Kandidat Calin Georgescu
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Nach dem überraschenden Sieg des rechtsradikalen und russlandfreundlichen Kandidaten Calin Georgescu in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl in Rumänien hat das Oberste Gericht des Landes eine Neuauszählung der Stimmen angeordnet. Das Gericht erklärte am Donnerstag, es habe eine "Überprüfung und Neuauszählung aller Wahlstimmen" verfügt. Das Präsidalamt forderte zudem "Sofortmaßnahmen" gegen das Online-Netzwerk Tiktok - Georgescu hatte vor allem auf Tiktok Wahlkampf gemacht. Hintergrund sind Zweifel an einem ordnungsgemäßen Ablauf der ersten Wahlrunde.

Der parteilose Georgescu hatte die erste Runde der Präsidentschafts am Sonntag völlig überraschend gewonnen und war mit 22,94 Prozent auf dem ersten Platz gelandet. Der pro-westliche Regierungschef Marcel Ciolacu, der die Nachfolge des deutschstämmigen Präsidenten Klaus Iohannis anstrebte und als Favorit ins Rennnen gegangen war, kam mit 19,15 Prozent der Stimmen nur auf den dritten Platz.

Auf dem zweiten Platz landete die relativ wenig bekannte Mitte-Rechts-Politikerin Elena Lasconi mit 19,17 Prozent. Demnach würden Georgescu und Lasconi am 8. Dezember in einer Stichwahl gegeneinander antreten.

Das Oberste Gericht ordnete nun aber einstimmig an, das Ergebnis der ersten Runde zu überprüfen und alle Stimmen neu auszuzählen. Geklagt hatte ein anderer Kandidat: Der Europaabgeordnete Cristian Terhes warf der Mitte-Rechts-Partei der Kleinstadt-Bürgermeisterin Lasconi vor, den Wahlkampf nach Ablauf einer gesetzlichen Frist im Internet fortgesetzt zu haben. Das Oberste Gericht will am Freitag wieder zusammenkommen.

Georgescu hatte im Wahlkampf mit ultrarechten Parolen für Aufsehen gesorgt und auf Tiktok eine Kampagne gestartet, in der er ultimativ ein Ende der Hilfen für die Ukraine forderte. Außerdem äußerte er sich skeptisch zur Nato-Mitgliedschaft Rumäniens.

Das Präsidialamt erklärte nun, Georgescu habe bei der Wahl "massiv" von seiner Reichweite auf Tiktok profitiert, die das in Rumänien äußerst beliebte Netzwerk mit einer "bevorzugten Behandlung" noch vergrößert habe. Vor der zweiten Wahlrunde am 8. Dezember müssten daher "Sofortmaßnahmen" gegen Tiktok ergriffen werden.

Tiktok hatte Vorwürfe einer Wahlbeeinflussung am Mittwoch als "falsch und irreführend" zurückgewiesen. Die rumänischen Behörden forderten die EU-Kommission auf, wegen eines Verstoßes gegen das EU-Gesetz für digitale Dienste gegen Tiktok zu ermitteln. 

Nach Angaben des Präsidalamtes gab es in Rumänien auch "Cyberangriffe", die den ordnungsgemäßen Ablauf des Wahlprozesses "beeinflussen" sollten. Es sei "ein wachsendes Interesse" Russlands festgestellt worden, vor dem Hintergrund der "aktuellen Sicherheitslage in der Region" Einfluss auf die öffentliche Meinung in Rumänien zu nehmen.

Das EU- und Nato-Land Rumänien hat insbesondere angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine große strategische Bedeutung: Rumänien teilt eine 650 Kilometer lange Grenze mit der Ukraine, die rumänische Schwarzmeerküste reicht bis 150 Kilometer an die ukrainische Großstadt Odessa heran. 5000 Nato-Soldaten sind in Rumänien stationiert.

Am kommenden Sonntag, also noch vor der Stichwahl um das Präsidentenamt, findet in Rumänien die mit Spannung erwartete Parlamentswahl statt. Befürchtet wird, dass beide Wahlen zu einem Kurswechsel in der Außenpolitik Rumäniens insbesondere mit Blick auf die Ukraine und Russland führen könnten. 

AFP