Der Sieg der Unabhängigkeitsbefürworter bei der Parlamentswahl in der kanadischen Provinz Québec ist von einem Attentat überschattet worden. Wie die Polizei mitteilte, eröffnete ein Mann während der Siegesrede der Vorsitzenden der Parti Québécois (PQ), Pauline Marois, in Montréal das Feuer und tötete einen Menschen. Ein weiterer Mensch wurde schwer verletzt, Marois blieb unverletzt.
Der Schütze konnte kurz nach dem Vorfall in einem Konzertsaal von der Polizei festgenommen werden. Mehrere Waffen wurden beschlagnahmt. Den Beamten zufolge versuchte er außerdem, den Saal in Brand zu setzen. Laut Kameraaufzeichnungen rief der rund 50-jährige Mann auf Französisch mit englischem Akzent bei seiner Festnahme: "Die Engländer wachen auf." Offenbar stand das Attentat in Verbindung mit Ängsten der englischsprachigen Minderheit der Provinz, dass sich diese von Kanada lossagen könnte.
Die linksgerichtete PQ setzt sich für eine Unabhängigkeit der Provinz ein. Marois hatte kurz vor Beginn der Schießerei in ihrer Rede betont, dass die Zukunft Québecs die eines "souveränen Landes" sei. Sie rief außerdem alle Seiten zur Zusammenarbeit auf. Die Politikerin, die als erste Frau die vorwiegend französischsprachige Provinz regieren dürfte, blieb bei dem Attentat unverletzt. Ihre Leibwächter holten sie rasch vom Podium herunter. Später kehrte die 63-Jährige auf das Podium zurück, um ihre Anhänger zu beruhigen und ihre Rede fortzusetzen.
Bei der Parlamentswahl zeichnete sich allen Hochrechnungen zufolge ein Wahlsieg der linksgerichteten PQ ab, die knapp vor den Liberalen von Amtsinhaber Jean Charest landen dürfte. Nach neun Jahren kehren die Befürworter einer Unabhängigkeit der Provinz damit wieder an die Macht zurück, wenngleich möglicherweise als Minderheitsregierung.
Für Charest geriet die Wahl zu einer persönlichen Niederlage: In seinem Wahlkreis Sherbrooke unterlag der 54-Jährige seinem Herausforderer von der PQ, Serge Cardin, nach Auszählung fast aller Stimmzettel mit 34,7 Prozent zu 42,41 Prozent der Stimmen. Charest kann zwar auf ein hohes Wirtschaftswachstum und eine vergleichsweise niedrige Arbeitslosenzahl verweisen, hat sich aber besonders bei Studierenden mit seinen Plänen zur Erhöhung der Studiengebühren unbeliebt gemacht.
Der kanadische Regierungschef Stephen Harper gratulierte Marois zu ihrem Wahlsieg, ließ aber Kritik an den separatistischen Bestrebungen der Partei erkennen. "Wir glauben nicht, dass die Menschen in Québec die alten Verfassungsstreitereien wieder eröffnen wollen", erklärte er in Ottawa.