Vom Buckingham Palace in London bis zum nationalen Parlament im australischen Canberra sind es knapp 17.000 Kilometer Luftlinie. Eine enorme Entfernung. Dennoch ist der neue König Charles III., der im Buckingham Palace seinen Sitz hat, das Staatsoberhaupt von Australien. Nach dem Tod der Queen Elizabeth II. vergangenen Donnerstag folgte er seiner Mutter automatisch auf den Thron – zwei Tage später wurde er in London feierlich als britischer König Charles III. ausgerufen.
Einen Tag nach den Proklamationszeremonien in der britischen Hauptstadt wurde Charles III. auch in Down Under offiziell zum neuen Staatsoberhaupt ernannt. Die entsprechende Erklärung wurde bei einer Zeremonie im Parlament in der Hauptstadt Canberra von Generalgouverneur David Hurley vorgetragen.
Hurley bezeichnete Australien als "unvollendetes Produkt", das nun in eine neue Ära eintrete. "Die meisten Australier haben eine Welt ohne Königin Elisabeth II. nicht gekannt, ihr Tod ist das Ende einer Ära." In ihrer Funktion als Königin von Australien werden britische Königinnen oder Könige in dem Commonwealth-Land vom Generalgouverneur vertreten.
Republikanische Stimmen in Australien mehren sich
Von den 54 Staaten im Commonwealth haben nur 15 den Monarchen als Staatsoberhaupt – und diese Zahl könnte schrumpfen: In dem Tod der Queen sehen manche Menschen und Politiker:innen in einigen Commonwealth-Ländern einen Wendepunkt, den man zum Wandel hin zu einer Republik nutzen sollte.
Eigentlich hatten die Australer:innen im Jahr 1999 in einem Referendum mehrheitlich gegen eine Republik gestimmt. Der Tod von Elizabeth II. habe allerdings die Dinge geändert, meint das Australian Republic Movement. Man könne ein zweites Referendum abhalten und innerhalb von zwei Jahren eine Republik werden, berichtet der australische Sender SBS die Bewegung.
"Eine phänomenale Anzahl von Menschen hat mir im Laufe der Jahre gesagt: 'Ich bin absolut bei Ihnen, aber nicht, bis die Königin stirbt'. Und ich gehe davon aus, dass es jetzt eine Welle des Interesses, der Mitgliedschaft und der Spenden geben wird", sagte der Vorsitzende der Bewegung, Peter FitzSimons. "Bei größtem Respekt vor Charles III. – und das meine ich; ich habe nichts gegen ihn persönlich – er genießt nicht die gleiche tiefe Quelle der Zuneigung und Loyalität wie Ihre Majestät", fügte er hinzu.
Das Australian Republic Movement steht nicht alleine mit seinen Forderungen da. Die Bewegung Real Republic Australia wolle in den "kommenden Monaten" ein Diskussionspapier veröffentlichen, in dem die Einzelheiten eines Referendums vorgeschlagen werden sollen, berichtet SBS weiter.
Das bewegte Leben von Charles III.

Premierminister: Noch nicht die Zeit für Referendum
Der Chef der australischen Grünen, Adam Bandt, nutzte eine Beileidsbotschaft, um seine Forderungen nach einer Republik zu bekräftigen. "Ruhe in Frieden Queen Elizabeth II. Unsere Gedanken sind bei ihrer Familie und allen, die sie geliebt haben", twitterte er. Aber: "Jetzt muss Australien vorankommen. Wir brauchen einen Vertrag mit den Ureinwohnern, und wir müssen eine Republik werden."
Einer tritt in Australien aber auf die Bremse: Aus Respekt vor Queen Elizabeth II. peilt der australische Premierminister Anthony Albanese vorerst kein Referendum über die Abschaffung der Monarchie an. Jetzt sei die Zeit, der verstorbenen Königin Tribut zu zollen und nicht, "Fragen zu unserer Verfassung" nachzugehen, sagte Albanese dem britischen TV-Sender Sky News am Sonntag.
Albanese hatte wiederholt Pläne angedeutet, Australien zu einer Republik machen zu wollen. Jeder Australier müsse die Möglichkeit haben, Staatsoberhaupt zu werden, hatte er gesagt.
Auch vorerst kein Republik-Referendum in Neuseeland
Australien ist nicht das einzige Commonwealth-Land, das mit einer Änderung seiner Verfassung liebäugelt. So kündigte der Regierungschef von Antigua und Barbuda unmittelbar nach dem Tod der Queen ein Referendum über die Loslösung vom britischen Königshaus innerhalb von drei Jahren an. Bereits am 30. November 2021 wurde der Inselstaat Barbados eine Republik – nach rund 400 Jahren unter britischer Krone.

Auch Neuseeland hat die Debatte um die Abschaffung der Monarchie erreicht. Die Māori-Partei Te Pāti Māori und die Grüne Partei des Landes sagen, dass Gespräche bereits im Gange seien, und haben ihre Forderungen nach einer Verfassungsänderung wiederholt. Premierministerin Jacinda Ardern hatte bei einer Pressekonferenz geäußert, sie glaube, dass das Land wahrscheinlich noch zu ihren Lebzeiten mit der Monarchie brechen würde.
2017 sagte sie in einem Interview zwar, dass es "Zeit ist, über eine Republik zu sprechen". Im Laufe der Jahre mäßigte sie aber den Ton: "Die Frage einer Republik für Neuseeland steht nicht auf meiner Agenda oder auf der Agenda dieser Regierung", sagte Ardern am Dienstag erneut zu Reportern.

Der Chef der oppositionellen konservativen National Party, Christopher Luxon, sagte der Zeitung "New Zealand Herald" im vergangenen Jahr, dass er Republikaner sei. Allerdings räumte er wenige Tage nach dem Tod der Queen ein, dass der Appetit auf Veränderungen derzeit gering sei. "Ich denke, irgendwann in meinem Leben wird es in Neuseeland ein Gespräch geben … und die Leute sind bereit für dieses Gespräch. Ich spüre nur, dass es jetzt nicht ist", zitiert ihn der "Herald". Die Realität sei, so Luxon, dass die Menschen jetzt mit den verfassungsmäßigen Regelungen zufrieden seien – so wie er selbst auch.
Kanada: Quebec hat keine starke Bindung zur Monarchie
Auch jenseits des Atlantiks, in Kanada, wird die Frage der Republik diskutiert. Besonders in der Provinz Quebec, die stark französisch geprägt ist, werden Rufe nach einem Ende der Monarchie lauter, schreibt die Zeitung "National Post".
In den Tagen nach dem Tod der Königin wurde der dort amtierende Premier Francois Legault mit Fragen darüber konfrontiert, ob die Provinz nun die Position des Vizegouverneurs streichen sollte, sowie mit Kritik von der Parti Quebecois für das Senken der Quebec-Flagge auf Halbmast zu Ehren der verstorbenen Königin. Die Parti Quebecois strebt die Unabhängigkeit Quebecs an.
Die Mehrheit der Menschen in Quebec sehe die Monarchie aus historischen Gründen und ihrer Unterstützung für die Demokratie negativ, sagte Gerard Bouchard, ein Historiker und Soziologe der Université du Québec à Chicoutimi der "National Post". "In Quebec scheint dies ein Überbleibsel einer kolonialistischen Ära zu sein, von der wir dachten, dass sie verschwunden sei", sagte er in einem Interview. "In Quebec würde die Mehrheit der Menschen sagen: 'Wir wissen nicht, warum das in Kanada so weitergeht, und wir wissen nicht, warum uns das in Quebec auferlegt wurde.'"

Die Monarchie sei eine Erinnerung an die britische Eroberung Neufrankreichs und die britische Kolonialherrschaft über das französisch-sprachige Kanada, so Bouchard. Die Idee, dass das Staatsoberhaupt ein europäischer Monarch sei, widerspreche auch den Vorstellungen der Quebecer von Demokratie, sagte er.
Mehrheit der Kanadier will weg von Monarchie – doch das könnte schwer werden
Doch nicht nur in Quebec ist die Ablehnung der Monarchie so groß, sondern insgesamt unter den Kanadier:innen. Eine Untersuchung des kanadischen Angus Reid Instituts kam zu dem Ergebnis, dass etwas mehr als die Hälfte (52%) der Befragten der Meinung ist, dass Kanada nicht auf unbestimmte Zeit eine konstitutionelle Monarchie bleiben sollte, während ein Viertel (25%) sagte, dass es so sein sollte.
Benoit Pelletier, Professor für Verfassungsrecht an der University of Ottawa und ehemaliger Kabinettsminister in der liberalen Regierung von Quebec, sagte der "National Post", dass auch im englisch-sprachigen Kanada die Unterstützung für die Monarchie sinke. "Ich denke, dass es in den kommenden Monaten eine Debatte über die Zukunft der konstitutionellen Monarchie geben wird", sagte er. Zudem erwarte er, dass es zu einem Referendum zu diesem Thema kommen werde.
Allerdings gibt es Stimmen, die sagen, es sei unmöglich, dass Kanada die Monarchie abschaffen könne. "Ich denke, es wäre sehr schwierig", sagte Allan Hutchinson, Rechtstheoretiker und Rechtsprofessor an der York University dem TV-Sender CTV. "Jede Änderung der Regelungen rund um die Krone würde die Einstimmigkeit aller Provinzen und der Bundesregierung erfordern. Die Chancen dafür stehen nicht gut."
Auch der Verfassungsrechtsexperte David Schneiderman hält es für "praktisch unmöglich", heute eine einstimmige Zustimmung zu diesem Thema zu erzielen, wie er CTV sagte. "Sie müssten einen überwältigenden Konsens in der kanadischen öffentlichen Meinung haben, der es rechtfertigen würde, dass Ministerpräsidenten in ihren Parlamenten Resolutionen verabschieden, die die Abschaffung der Monarchie fordern. Ich sehe nicht, dass das in absehbarer Zeit passieren wird."
Quellen: Nachrichtenagentur DPA, "New Zealand Herald", "National Post", CTV, "Sydney Morning Herald", SBS, Angus Reid Institute, "New York Times"