Der Gefangenenaustausch war bei den jüngsten Verhandlungen in Istanbul vereinbart worden. Die Absprache sah vor, dass alle verletzten Soldaten und alle unter 25 Jahren ausgetauscht würden, auf jeder Seite mehr als tausend Soldaten. Russland hatte zudem zugesagt, die Überreste von 6000 getöteten ukrainischen Soldaten zu übergeben. Es wäre der größte Gefangenenaustausch seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022 gewesen.
Die Ukraine habe "unerwartet die Annahme der Leichen und den Austausch der Kriegsgefangenen auf unbestimmte Zeit verschoben", erklärte der russische Verhandlungsführer Wladimir Medinski in Onlinediensten. "Wir fordern Kiew auf, sich strikt an den Zeitplan und alle getroffenen Vereinbarungen zu halten und unverzüglich mit dem Austausch zu beginnen", fügte er hinzu.
Kiew warf Moskau daraufhin "Manipulationen" vor. Das ukrainische Koordinierungs-Hauptquartier für Kriegsgefangene erklärte, die Liste der Gefangenen, die Moskau angeblich freigeben wolle, entspräche nicht den Bedingungen des Abkommens. "Wir fordern die russische Seite auf, mit den schmutzigen Spielchen aufzuhören und zu konstruktiver Arbeit zurückzukehren", damit der Gefangenenaustausch in den kommenden Tagen umgesetzt werden könne, hieß es weiter.
Von den neuerlichen russischen Angriffen war insbesondere die Stadt Charkiw im Nordosten der Ukraine betroffen, die nach Angaben ihres Bürgermeisters Igor Terechow dem "stärksten Angriff seit Beginn des Krieges" ausgesetzt war. Vier Menschen wurden bei den Angriffen getötet und mehr als 20 weitere verletzt. Die Angriffe richteten sich nach Angaben der ukrainischen Behörden gegen Wohnhäuser und wurden teils mit Lenkbomben ausgeführt. Jeweils drei weitere Menschen wurden in den Regionen Donezk und Cherson getötet.
Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe ließ Russland allein in der Nacht 206 Drohnen Angriffe fliegen und feuerte neun Raketen ab. "Um Russlands Töten und Zerstören ein Ende zu setzen, ist mehr Druck auf Moskau erforderlich, ebenso wie weitere Schritte zur Stärkung der Ukraine", erklärte der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha in Onlinediensten. Alle Bemühungen um eine zumindest befristete Feuerpause im Ukraine-Krieg sind bisher gescheitert.