Debatte Pornos machen Kinder irre

Gangbangs? Analverkehr? Lesbensex? Aber reichlich: Immer häufiger sehen schon Kinder Hardcore-Pornos, zum Teil mit ihren Eltern. Der stern beschreibt in seiner aktuellen Ausgabe die barbarischen Konsequenzen, stern.de fragt die Leser: Sind wir zu liberal?

Sie sind 12, 13 oder 14 Jahre alt. Aber sie halten nicht Händchen. Sie streicheln sich nicht. Sie geben sich auch keine Küsse. Diese Kinder haben, wenn sie sich berühren, Sex - roh, unbehauen und brutal. "Viele dieser Kinder wachsen im emotionalen Notstandsgebiet auf", sagt der Sozialpädagoge Thomas Rüth, der die Szene im Problembezirk Essen-Katernberg beobachtet. "Die wissen alles, wirklich alles über sexuelle Praktiken. Aber wenn wir denen etwas über Liebe erzählen, über Zärtlichkeit, dann verstehen die überhaupt nicht, wovon wir reden."

Ein Grund dafür ist die flächendeckende Verbreitung von Pornographie. Sie ist überall zu haben. In Videotheken. Im Internet. Auf Abo-Kanälen. Und viele Eltern in sozial schwachen Stadtteilen haben die Kontrolle über den Medienkonsum ihrer Kinder verloren. Manche sehen sich die Streifen sogar mit ihren Kindern an. Oder lassen sie beim Akt zuschauen.

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... lesen Sie in der aufrüttelnden Reportage "Voll Porno" im aktuellen stern, der ab Donnerstag am Kiosk liegt.

"Ist doch nur Sex!"

Der stern schildert in seiner aktuellen Ausgabe zum Beispiel den Fall eines Jungen aus Berlin-Neukölln, nicht älter als zehn Jahre. Er sagte der Streeworkerin Ayten Köse, dass seine Mutter für ihn und seine Freunde gerne kleine Shows veranstalte - Screenings von Pornofilmen. Manchmal könnten sie auch zuschauen, wie sie mit ihrem Freund schläft. Als Köse die Mutter darauf ansprach, antwortete sie: "Ich weiß gar nicht, was sie haben. Das ist doch nur Sex. Ist doch ganz normal."

Kinder bekommen diese hypnotischen Bilder nicht mehr aus dem Kopf, sie können sie noch nicht verarbeiten. Aber sie spielen sie nach. Gangbangs. Analverkehr. Lesbische Szenen. In Neukölln wurde ein Sechsjähriger auffällig, der in der Pause immer wieder Mädchen in die Ecke zerrte. Er zog ihnen und sich selbst die Hose herunter und simulierte einen Geschlechtsakt. Die Mutter räumte ein, dass sie mit ihrem Freund und ihrem Sohn Pornofilme anschaue. Bevorzugt solche mit Vergewaltigungsszenen.

Sido, Bushido, Frauenarzt

Die Begleitmusik zur sexuellen Verwahrlosung liefern Porno-Rapper wie Sido, Bushido oder "Frauenarzt", die auf den Schulhöfen schwer angesagt sind. Sido singt im "Arschficksong": "Es fing an mit 13/ und na Tube Gleitcreme/ dann brauch man nicht erst lockern/ und kann ihn gleich reinschieb'n/ Kathrin hat geschrien vor Schmerzen/ mir hat's gefallen." Der Frauenarzt rappt in seinem Nuttensong: "Ich spritz Dir in die Fresse/ weil Du Nutte es so willst/ Ich bin ein harter Atze/ mit einem harten Schwanz/ Ich habe Eier in der Hose/ die Du lutschen kannst/ Ich liebe Nutten/ die es schlucken / wenn es mir kommt." Solche Zeilen kursieren unter Halbwüchsigen. Und helfen dabei, Gefühle von Scham und Intimität zu eliminieren.

Im Normalfall tragen Kinder, die sexuell verwahrlost sind, ein kaputtes Bild von Liebe und Sexualität davon. Im schweren Fällen werden sie zu Tätern. Die Zahl der jugendlichen Sexualstraftäter hat im vergangen Jahrzehnt drastisch zugenommen. Im Jahr 2004 wurden in dieser Altersklasse mehr als 4000 Taten registriert - Vergewaltigungen, Missbrauch, auch an Geschwistern, oft machten sich die Täter voher mit Pornos heiß.

Grenzen ziehen

Wie konnte Pornografie eine ganze Generation sozial schwacher Kids infiltrieren? Was ist zu tun? Laszlo Pota, Vizepräsident des Berufsverbandes der Psychologinnen und Psychologen, gibt im stern Antworten. Eine lautet: "Offenheit oder falsch verstandene Liberalität dürfen natürlich nicht dazu führen, dass die Eltern ihre Kinder erst an Pornos und Gewalt heranführen. Das wäre völlig falsch. Im Gegenteil. Kindern muss klargemacht werden, wo die Grenzen sind und was ungesund ist oder schadet."

ww/lk

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