Seit einer Woche hat sich Christine Pujol in ihrem Büro im achten Pariser Bezirk in der Nähe der Champs-Elysées verschanzt. Von ihren Gegnern abgesetzt, kämpft die 61-Jährige trotzig dafür, Vorsitzende von Frankreichs größtem Hotel- und Gaststättenverband Umih zu bleiben. Entbrannt ist der bizarre Machtkampf ausgerechnet nach einem wichtigen Erfolg für die Gastwirte und Hoteliers: der Einführung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für die Branche, den innerhalb der Europäischen Union vor allem Deutschland jahrelang verhindert hatte.
In einer Ecke von Pujols Büro liegen Schlafsäcke, über der Heizung trocknen Handtücher. Das Essen kommt durch das Fenster des Arbeitszimmers im dritten Stock des Verbandssitzes in der Rue d'Anjou. Die Umih-Präsidentin lässt dazu eine Tasche an einem Fernsehkabel herunter, Freunde unten auf der Straße legen ihr etwas zu essen und zu trinken hinein.
Das Kabel hätten ihre Gegner abgeschnitten, damit sie nicht mehr Fernsehen schauen könne, sagt Pujol, die das Büro zusammen mit einer Mitarbeiterin seit Mittwoch vergangener Woche besetzt hält. Auch die Kaffeemaschine hätten sie mitgenommen. "Wir können aus dem Büro raus, aber dann können wir nicht mehr zurück." Tag und Nacht stünden auf dem Gang zwei Wachleute. Nur der Weg zur Toilette war den Frauen in den vergangenen Tagen noch erlaubt, auch wenn das Papier dort laut Pujol seit der Besetzung nicht mehr erneuert wurde.
Pujol verlässt sich auf ihre "Zähigkeit"
"All das bestärkt uns in unseren Überzeugungen", sagt sie kämpferisch. Sie sei für ihre "Zähigkeit" bekannt. Und mit Belagerungen kennen sich die Leute in Pujols Heimat aus. Sie stammt aus dem südfranzösischen Carcassonne, wo ihre Familie fünf Hotels und Gaststätten betreibt. Der Legende nach hielt die Stadt einst der Einkesselung durch die Truppen von Karl dem Großen stand. Ihre Gegner, die bereits eine neue Führungsriege wählen ließen, scheiterten am Dienstag vor Gericht jedenfalls mit dem Versuch, Pujol per Eilverfahren aus dem Präsidentenbüro zu klagen. Die Justiz will jetzt frühestens am Freitag entscheiden.
Pujol hatte den Verband mit 90.000 Mitgliedern seit November 2008 geleitet. Ihm gehören vom Eckcafé bis zum Luxushotel gut die Hälfte der französischen Herbergen und Gaststätten an. Mit ihrem Versuch, die Organisation "zu modernisieren und gewohnte Vorgehensweisen über den Haufen zu werfen", habe sie eine Riege alt gedienter Verbandsfunktionäre gegen sich aufgebracht, sagt sie. Die wollten sie nun loswerden.
Dabei hatte Pujol im vergangenen Sommer das erreicht, woran ihre Vorgänger jahrelang gescheitert waren: Nach dem grünen Licht Deutschlands in der EU senkte die französische Regierung die Mehrwertsteuer für die Branche von 19,6 auf 5,5 Prozent. Doch der Erfolg wurde zum Fiasko. Denn die meisten Gastwirte gaben die Steuersenkung entgegen ihrer Zusagen nicht an die Kunden weiter. Und Pujol zeigte sich nicht besonders geschickt darin, dies zu rechtfertigen. Laut ihren Kritikern machte sie nicht deutlich genug, dass die Gastwirte die Steuersenkung für den Erhalt von Arbeitsplätzen und Lohnerhöhungen genutzt hätten. Als dann der Senat drohte, die Steuersenkung rückgängig zu machen, war für viele im Verband das Maß voll.
"Der Großteil der Franzosen betrachtet die Gastwirte jetzt als Diebe", schimpfte der neue Vize-Präsident des Verbandes, Hervé Bécam, im Wirtschaftsblatt "Challenges" diese Woche. Pujol habe die Zeit nach der Steuersenkung "katastrophal gemanagt". Jetzt füge sie der Organisation mit der Besetzungsaktion weiteren Schaden zu. "Wegen ihr werden uns jetzt alle für Bekloppte halten."