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Beschlagnahmte Güter Wo das schmutzige Geld landet

Alleine in Deutschland flossen 2014 rund 269 Millionen Euro aus kriminellen Geschäften an den Staat. Europaweit kommen Milliarden zusammen. Eine neue Datenbank sorgt nun für Transparenz.

Eine Villa in Beausoleil an der Cote d’Azur, Schwarzgeldkonten oder bündelweise Bargeld – Ermittler beschlagnahmen regelmäßig illegal erworbene Vermögen. Wie hoch die Summen sind, wird meistens nur in spektakulären Einzelfällen bekannt. Ein Konsortium europäischer Journalisten und Medien, darunter der stern, will die Grundlage einer europäischen Datenbank für konfiszierte Vermögen legen. Das Projekt "Confiscated Goods", auf deutsch: "Beschlagnahmte Güter", trägt erstmals öffentlich verfügbare Zahlen zusammen.

Vier Milliarden Euro in allen EU-Mitgliedsstaaten

Alleine in Deutschland, Italien, Frankreich, Spanien, England und Wales sind nach den Recherchen in einem Jahr rund zwei Milliarden Euro beschlagnahmt worden. Berücksichtigt wurden die jeweils aktuell verfügbaren Zahlen. Die deutschen Landeskriminalämter haben diese Zahlen aus der Kriminalstatistik auf Anfrage des stern mitgeteilt.

Insgesamt fallen in allen EU-Mitgliedsländern nach den Recherchen rund vier Milliarden Euro an. Das ist eine stolze Summe, die allerdings nur ein Klacks ist im Vergleich mit den geschätzten 110 Milliarden Euro, die organisierte Banden und Mafia-Organisationen zwischen Mittelmeer und Nordsee illegal im Jahr erwirtschaften.

Das beschlagnahmte Bar- und Sachvermögen fließt im föderal organisierten Deutschland in die jeweilige Landeskasse. Wie sich die Summen auf die 16 Bundesländer und die untersuchten europäischen Länder verteilen, zeigt die folgende interaktive Karte in Deutschland für jedes Bundesland aufgeschlüsselt.

In Deutschland wurden laut Bundeskriminalamt (BKA) im Jahr 2014 fast 269 Millionen Euro vorläufig gesichert und kamen anteilig dem jeweiligen Landeshaushalt zugute, praktisch wie eine Sondersteuer. Die Summe teilt sich auf in Bargeld: 33,5 Mio. Euro, bewegliche Sachen (z.B. Autos, Uhren): 55,6 Mio. Euro, Immobilien: 103,4 Mio. Euro und Forderungen: 76,4 Mio. Euro. Die Zahl des BKA weicht leicht von der Gesamtsumme der Ländermeldungen ab (251 Mio). Eine weitere Unschärfe entsteht durch separat vom BKA erhobene Zahlen für organisierte Kriminalität (90 Millionen Euro) und für verfahrensunabhängige Finanzermittlungen etwa bei Geldwäscheverdacht bei Banken, hier wurden 28,3 Millionen Euro sichergestellt, jeweils im Jahr 2014. Diese Zahlen sind teilweise auch in der Gesamtsumme von fast 269 Millionen Euro enthalten. Eine klare Aufteilung ist dem BKA nicht möglich.

Zweckbindung, ja oder nein?

In anderen Ländern muss das Geld oft zweckgebunden ausgegeben werden, etwa für soziale Zwecke. Wie die folgende Tabelle zeigt, ist die Gesetzeslage dazu in den EU-Mitgliedsländern sehr verschieden.

Wieviel schmutziges Geld aus Drogenhandel, Prostitution und anderen illegalen Geschäften tatsächlich in den EU-Mitgliedsländern von Ermittlern gesichert werden kann, wird mit der Confiscated-Goods-Datenbank erstmals klarer.Die italienischen Kollegen hatten für das Projekt "Confiscati Bene" ausschließlich Zahlen für Italien gesammelt. Andrea Nelson Mauro und Gianluca De Martino erweiterten für das gesamteuropäische Datenjournalismus-Projekt "Confiscated Goods", den Kreis um weitere Medien. An Bord sind neben dem stern das Nachrichtenmagazin L’Espresso aus Italien, die Tageszeitung El Confidencial aus Spanien, in Frankreich die Tageszeitung Liberation und der öffentlich-rechtliche Fernsehsender France 3. Neben der absoluten Summe an beschlagnahmten Vermögen soll die Datenbank künftig auch Auskunft über die Verwendung des Geldes geben.

Über das Projekt

Confiscated Goods ist ein Projekt von Dataninja.it mit Unterstützung von JournalismFund.eu. Entwickelt wurde das Projekt von einem internationalen Konsortium von Journalisten: Italien: Gianluca De Martino, Andrea Nelson Mauro, Alessio Cimarelli, Matteo Civillini, Daniele Grasso; Spanien: Jesus Escudero; Frankreich: Alexandre Lechenet, Emmanuel Fansten, Frederique Maillard; Deutschland: Dirk Liedtke, stern. Website: eu.confiscatibene.it

Noch mehr Transparenz soll spätestens ab dem 4. Oktober 2016 herrschen. Bis dahin müssen die EU-Mitgliedsstaaten die Richtlinie (pdf) "über die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union" in nationales Recht umsetzen. Und dazu gehört auch die jährliche Meldung der nationalen Statistik an die Europäische Kommission.

Spätestens dann sollte es für Ermittler auch leichter werden, grenzüberschreitend ergaunertes Geld, Immobilien und Wertgegenstände zu beschlagnahmen und damit die Staatskassen zu entlasten. Und hoffentlich bleibt dann auch mehr hängen als bislang.

Mitarbeit: Florian Gossy

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