Schüler als Richter: Seit dem Jahr 2000 werden in Bayern neue Wege im Jugendstrafrecht beschritten. In drei Pilotprojekten in Aschaffenburg, Ansbach und Ingolstadt verhängen "Schülerrichter" erzieherische Maßnahmen über gleichaltrige Straftäter, die sonst mit einem Verfahren rechnen müssten. Justizminister Manfred Weiß (CSU) hob die Vorteile des Konzepts hervor. "Wir wissen alle, dass im jugendlichen Alter die Meinung von Altersgenossen besonders viel zählt".
Die kleinen Kadis werden in den Schulen rekrutiert. Meist wird nach einem Gerichtsbesuch das Projekt vorgestellt und nach Interessenten gefragt. "Alle haben sich gemeldet", beschreibt Gurpal Singh aus Ingolstadt den Beginn ihrer Justizkarriere. Anschließend wurde die 16-jährige von einer Sozialpädagogin auf die verantwortungsvolle Tätigkeit vorbereitet - wie alle anderen Schülerrichter auch.
Geklärter Sachverhalt und geständiger Täter
Im Rahmen des Projekts können Staatsanwälte Fälle minder schwerer Kriminalität an die Schüler abgeben - vor allem Diebstahl, Fahren ohne Führerschein und Körperverletzung. Voraussetzung ist, dass die Delinquenten mit der Behandlung des Falls durch Altersgenossen einverstanden sind. Der Sachverhalt muss geklärt sein und der Täter gestanden haben.
Die letzte Entscheidung liegt beim Staatsanwalt
In den Pennäler-Prozessen wird vor allem versucht, in entspannter Atmosphäre die Tat und den sozialen Hintergrund der jungen Straffälligen auszuleuchten. Dabei nehmen sich die drei Schülerrichter in Ingolstadt so viel Zeit, wie sie wollen. "Wir wollen die Leute ja überzeugen, dass nicht gut war, was sie getan haben. Dafür müssen wir sie aber erst verstehen", sagt Margret Oelker (16), die zusammen mit mit ihrem Kollegen Daniel Hoepp und Gurpal Singh die Schüler-Kammer bildet. Letztendlich entscheide aber der Staatsanwalt.
"Der kann dann das Verfahren einstellen, wenn die erzieherische Maßnahme durchgeführt oder eingeleitet ist", erläutert Wolfram Herle von der Staatsanwaltschaft Ingolstadt, der mit den Entscheidungen der Schülerschiedsstelle betraut ist. Verhängt werden nur erzieherische Maßnahmen, die einen Lerneffekt bewirken sollen. Wie bei dem 17-jährigen, den die jugendlichen Laienrichter wegen Sachbeschädigung eines Autos befragten. Er wurde dazu verdonnert, zehn Stunden die Rettungswagen des Malteser Hilfsdiensts zu waschen.
Die Idee kommat aus den USA
Die Idee, Schülergremien über jugendliche Straftäter Gericht sitzen zu lassen, kommt aus den USA. Dort gibt es die "teen courts" schon seit zwanzig Jahren. Das US-Modell sei grundsätzlich von den bayerischen Schülerschiedstellen zu unterscheiden, sagt Hans Kornprobst vom Justizministerium. Die US-Verfahren seien an die Realität im Gericht angelehnt - mit jugendlichen Geschworenen, Staatsanwälten und Richtern. Wichtigster Unterschied: Die US-Jugendlichen dürfen rechtskräftige Urteile erlassen. "Das ist rechtlich in Deutschland überhaupt nicht möglich", erklärt der Fachmann für Jugendstrafrecht.
Auch Margret Oelker fände es falsch, wenn sie eine echte Mini-Richterin wäre. "Das ist doch gerade der Unterschied zum normalen Gericht, dass die Leute bei uns nicht aus der Akte heraus verurteilt werden", sagt die Schülerin. "Nur so kann man überhaupt auf die Leute eingehen."
Gute Bilanz
Vor allem vor dem Hintergrund der im Vorjahr erneut angestiegenen Zahl jugendlicher Verurteilter in Bayern kann sich die Bilanz der drei Schülerschiedsstellen sehen lassen, meint Justizminister Manfred Weiß (CSU). "178 erfolgreich abgeschlossene Fälle, nur 12 Abbrüche, wohl dosierte Sanktionen - das ist ein Bombenergebnis für das deutschlandweit einzigartige Projekt."