Rekordverbrechen in Toronto Kanadas größter Goldraub: Er kam für Meeresfrüchte – und ging mit 6600 Barren Edelmetall

Goldraub in Kanada: Polizeichef Nishan Duraiappah spricht bei einer Pressekonferenz über Ermittlungsergebnisse.
"Diese Geschichte gehört in eine Netflix-Serie": Polizeichef Nishan Duraiappah am Mittwoch bei einer Pressekonferenz zum größten Goldraub in der Geschichte Kanadas. Hinter ihm: das Tatfahrzeug. 
© Carlos Osorio / Reuters
Ohne Hilfe von innen ging es nicht: Genau ein Jahr nach einem filmreifen Raub am größten Flughafen in Kanada präsentiert die Polizei neun Verdächtige. Zwei davon arbeiteten bei einer bekannten Fluggesellschaft. Aber wo ist ihre Beute? 

Die Ladung wirkte unverdächtig. Meeresfrüchte sollte der Fahrer des weißen Fünftonners abholen, so stand es auf dem Lieferschein, den der Mann am Eingang zur Frachtanlage des größten Flughafens Kanadas vorzeigte. Doch als er das Gelände wieder verließ, stapelten sich in seinem Lkw keine tiefgefrorenen Shrimps und Miesmuscheln, sondern 6600 Goldbarren, 400 Kilo schwer, umgerechnet 13,6 Millionen Euro wert, daneben Banknoten im Wert von 1,7 Millionen Euro.

Der Frachtschein war das Duplikat einer Lieferung vom Vortag; der Fahrer vermutlich Teil eines perfiden Waffenrings; der Truck zunächst noch auf einem vielbefahrenen Highway unterwegs und dann über alle Berge der nordamerikanischen Prärie; und der Toronto Pearson International Airport soeben Schauplatz des größten Goldraubs in der kanadischen Geschichte geworden. 

Genau ein Jahr später, an diesem Mittwoch, präsentierte die Polizei nun neun Verdächtige. Fünf davon nahmen die Ermittler in Kanada fest, drei mutmaßliche Täter werden noch immer per landesweitem Haftbefehl gesucht. Der neunte Mann der Gang – höchstwahrscheinlich der Fahrer des Diebesguts – ging der Polizei bereits im September in Pennsylvania ins Netz. US-Beamte kontrollierten den 25-Jährigen wegen eines Verkehrsdelikts. Er floh zu Fuß. Nun sitzt er im kanadischen Nachbarland in Haft. 

Polizisten hatten in seinem Mietwagen 65 Schusswaffen gefunden. Bei einer davon war die Seriennummer abgeschliffen, elf waren als gestohlen gemeldet, zwei zu vollautomatischen Gewehren umfunktioniert worden. 

Zu jedem guten Krimi gehört ein Verräter. Auch bei dieser Geschichte aus Kanada

Aus Gold sollten Waffen werden – das ist die Annahme der Ermittlergruppe "24 Karat", die in den vergangenen Monaten Videokameras von 225 Firmen und Anwohnern im Umkreis des Flughafens ausgewertet und 50 Personen befragt haben. Nishan Duraiappah, Polizeichef der Region Peel, stellte sich bei der Pressekonferenz am Mittwoch demonstrativ vor den Lastwagen, der beim Goldraub benutzt wurde, und sagte: "Diese Geschichte gehört wahrscheinlich, wie wir scherzhaft sagen, in eine Netflix-Serie." 

Und weil zu mindestens jeder zweiten guten Krimiserie ein Verräter gehört, hat diese Geschichte aus Kanada auch das zu bieten. Ohne einen inside job, also Hilfe aus dem Inneren des Flughafenzirkels, wäre der Raub nie möglich gewesen. Der gefälschte Lieferschein für Meeresfrüchte stammte aus einem Drucker von Air Canada.  

Unter den neun Verdächtigen befinden sich – neben einem Juwelier aus Toronto – auch zwei Mitarbeiter der Cargo-Abteilung von Kanadas größter Fluggesellschaft. Ein 54-jähriger wurde verhaftet. Nach einem 31-jährigen, zum Zeitpunkt des Verbrechens noch Angestellten wird derzeit gefahndet. Besonders perfide: Einer der beiden soll Ermittler noch durch die Anlage geführt haben, bevor seine Beteiligung aufflog. 

1990, Flughafen Montréal: Es gibt erstaunliche Parallelen

Das wertvolle Diebesgut gehörte ursprünglich einer Schweizer Bank und einer Edelmetallfabrik, die ein kanadisches Unternehmen für Sicherheitstransporte beauftragten, das Gold und die Devisen von Zürich nach Toronto zu transportieren. 42 Minuten nach der Entladung der Air-Canada-Maschine am 17. April 2023 war die Ware bereits gestohlen. Die Sicherheitsfirma namens Brink’s hat die Airline inzwischen auf Schadensersatz verklagt. 

Kurioserweise ist es nicht das erste Mal, dass ein Goldtransport des Dienstleisters von einem Flughafen verschwindet. 1990 fuhren Räuber in einem Müllwagen den Begrenzungszaun des Airports in der kanadischen Hauptstadt Montréal ein und überfielen einen Privatjet, der gerade auf die Startbahn zurollte. Den Jet gechartert hatte Brink’s. Beladen war er mit Gold und anderen Waren im Wert von knapp 12,8 Millionen Euro. Der Fall wurde erst Jahre später gelöst.

Ein Schicksal, das auch die Ermittler von "24 Karat" ereilen könnte. Bislang beschlagnahmten sie lediglich 430.000 kanadische Dollar (circa 293.000 Euro) sowie sechs Goldarmbänder im Wert von rund 89.000 kanadischen Dollar (circa 60.000 Euro) sowie Schmelztöpfe und Formen. Die Polizei geht davon aus, dass die Goldbarren eingeschmolzen und neu gepresst wurden, um das Edelmetall weiterzuverkaufen. Das erwirtschaftete Geld wollte der Verbrecherring den Untersuchungen zufolge anschließend dafür verwenden, Waffen anzuschaffen und nach Kanada zu schmuggeln. 

Der netflixreife Plan scheiterte. Die fünf in Kanada Verhafteten kamen inzwischen auf Kaution frei und erwarten einen Prozess mit 19 Anklagepunkten. Nach ihren drei Komplizen sucht das ganze Land och immer. Jener Mann, der eines nachmittags mit einem unverdächtigen Frachtschein für Meeresfrüchte an die Pforte einer Flughafenlagerhalle fuhr, sitzt heute in einer amerikanischen Zelle.

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