Katastrophe 150 Tote durch Erdbeben befürchtet

Bei einem schweren Erdbeben im Südosten der Türkei sind nach Befürchtungen der Behörden mindestens 150 Menschen getötet worden.

Bei einem schweren Erdbeben im Südosten der Türkei sind nach Befürchtungen der Behörden mindestens 150 Menschen getötet worden. In der gesamten Provinz wurden bis zum Nachmittag nach vorläufigen Angaben 84 Tote und 437 Verletzte gezählt. Am schwersten getroffen wurde ein Schulwohnheim in der Nähe der 125.000 Einwohner zählenden Stadt Bingöl, in dessen Trümmern Rettungsmannschaften nach mehr als 100 verschütteten Kindern suchten. Im Stadtzentrum von Bingöl stürzten mehrere mehrstöckige Häuser ein. Zuletzt war Bingöl vor 32 Jahren von einem schweren Erdbeben heimgesucht worden, bei dem rund 900 Menschen ums Leben kamen.

70 Schüler lebend gerettet

Das Erdbeben von der Stärke 6,4 auf der Richterskala hatte die Bewohner der mit 250.000 Menschen relativ dünn besiedelten Provinz gegen 3.27 Uhr Ortszeit im Schlaf überrascht. In dem Schulzentrum im Dorf Celtiksuyu, das fast 200 Schülern auch als Wohnheim diente, wurden bis zum Nachmittag mehr als 70 Schüler lebend gerettet. Die meisten hatten in den ersten Minuten nach dem Beben mit Hilfe von Anwohnern in Sicherheit gebracht werden können. 25 Kinder und ein Lehrer wurden bis zum Nachmittag tot geborgen. Auch in der Stadt Bingöl wurde eine neu gebaute Grundschule fast vollständig zerstört.

Stichwort: Richterskala

Mit der internationalen Richterskala werden Erdbebenstärken mit Hilfe von Instrumenten einheitlich bestimmt. Dabei gilt der angegebene Wert (die Magnitude) als Maß für die Bodenbewegung. Jeder Punkt auf der Skala bedeutet etwa eine Verzehnfachung der Stärke des Erdbebens. Es gelten folgende Kriterien für die Richterskala:
- Stärke 1-2: nur durch Instrumente nachweisbar.
- Stärke 3: selten nahe dem Bebenherd zu spüren.
- Stärke 4-5: im Umkreis von 30 Kilometern um das Bebenzentrum spürbar mit leichten Schäden.
- Stärke 6: mäßiges Beben, Todesopfer und schwere Schäden in dicht besiedelten Regionen.
- Stärke 7: starkes Beben, das zu Katastrophen führen kann.
- Stärke 8: Großbeben
Es ist bislang weltweit kein Erdbeben der Stärke neun gemessen worden.

Rettungsmannschaften auf dem Weg

Der türkische Rote Halbmond schickte nach Angaben der halbamtlichen Nachrichtenagentur Anadolu 13.000 Decken, rund 3.000 Zelte, Feldküchen und Generatoren nach Bingöl. Auch ein Feldlazarett, das wegen des Krieges im Irak in der türkischen Grenzstadt Silopi errichtet worden war, wurde nach Bingöl verlegt. Rettungsmannschaften und Ärzte aus umliegenden Provinzen brachen in das Katastrophengebiet auf. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan machte sich vor Ort ein Bild vom Ausmaß der Katastrophe. "Gott möge Schlimmeres verhüten", sagte Erdogan mit Blick auf die verschütteten Schulkinder.

Oft nur noch Trümmerhaufen übrig

Auch im Stadtzentrum von Bingöl wurde mit Hochdruck nach Verschütteten gesucht. Von einigen mehrstöckigen Häusern waren dort nur Trümmerhaufen übrig geblieben. Angesichts der Hunderten von Verletzen war das staatliche Krankenhaus von Bingöl völlig überfordert. "Wir haben jede Hilfe nötig", sagte der Chefarzt des Krankenhauses. Die Verletzten wurden aus Angst vor Nachbeben in Zelten und im Garten des Hospitals versorgt. Andere wurden in die rund 120 Kilometer entfernte Stadt Elazig und auch in die größte Stadt der Region nach Diyarbakir gebracht.

Dem Hauptbeben folgten bis zum Nachmittag nach Angaben der Kandilli-Erdbebenwarte in Istanbul mehr als 100 Nachbeben. Nach einem Beben dieser Größenordnung seien weitere Erschütterungen von bis zu 5,2 möglich, sagte die Direktorin der Erdbebenwarte, Gülay Barbarosoglu.

Anteilnahme in Deutschland

Bundespräsident Johannes Rau sprach den Angehörigen der Opfer seine Anteilnahme aus. Außenminister Joschka Fischer bot ebenso wie die griechische Regierung Hilfe an. Hilfe aus dem Ausland sei zur Zeit aber nicht erforderlich, sagte Ministerpräsident Erdogan bei seinem Besuch in Bingöl.

Die gesamte Türkei gilt als Erdbeben gefährdet. Bei zwei schweren Beben im August und November 1999 waren im Nordwesten des Landes östlich von Istanbul mindestens 18.000 Menschen ums Leben gekommen.

DPA

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