Köhler bei Gedenkfeier in Winnenden "Da ist viel Schlimmes, was wir teilen müssen"

Bundespräsident Horst Köhler hat bei der Gedenkveranstaltung in Winnenden den Opfern - und auch der Familie des Täters gedacht.

Bundespräsident Horst Köhler hat am Donnerstag an der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Amoklaufs von Winnenden teilgenommen. "Meine Frau und ich, wir sind hierhergekommen, um diesen Tag mit Ihnen zu teilen", sagte er seiner Ansprache vor der Albertville-Realschule am ersten Jahrestag des Verbrechens, bei dem ein 17-Jähriger insgesamt 15 Menschen erschoss. "Da ist viel Schlimmes, was wir teilen müssen: Einsamkeit. Leere. Sinnlosigkeit. Verzweiflung. Angst. Und auch Hass", fügte Köhler laut Redemanuskript hinzu.

Er nannte die Namen der toten acht Schülerinnen, des Schülers, der drei Lehrerinnen und der drei Männer, die der Täter auf seiner Flucht tötete. "Und ich füge auch heute hinzu: Auch die Familie des Täters hat ein Kind verloren. Auch für sie ist eine Welt zusammengebrochen", sagte Köhler.

Über die Frage, was getan werden könne und müsse, um solche Schrecken zu verhindern, habe er viele Gespräche geführt mit Psychologen und mit Experten für Waffenrecht, mit Abgeordneten und Ministern, mit Medienfachleuten und Polizisten, sagte der Bundespräsident.

Er forderte die Politik auf, das Waffenrecht weiter zu verschärfen. "Es kann auch viel geschehen - noch mehr als bisher - damit gefährdete Menschen nicht an Schusswaffen gelangen und Schulen und ähnliche Orte noch besser vor Anschlägen geschützt sind", betonte Köhler. Die jüngste Novellierung des Waffengesetzes durch den Bundestag sei ein Zeichen dafür, dass ein Umdenken begonnen habe. "Die Parlamente und die Regierungen des Bundes und der Länder sollten diesen Prozess weiter voranbringen und begleiten - und die Schützenvereine sollten ihnen dabei helfen", fügte er hinzu.

Köhler appellierte an die Gesellschaft, sich gemeinsam gegen eine drohende Verrohung zur Wehr zu setzen und Grenzen zu ziehen. Die Meinungen der Wissenschaft darüber, ob Videospiele Handlungsanleitungen für potenzielle Täter seien, gingen auseinander.

Das Staatsoberhaupt bat alle um einen achtsamen Umgang miteinander, um das Gefühl der Zusammengehörigkeit wachsen zu lassen. "Wir können darauf achten, dass niemand abseits bleibt. Wir können mehr Anteil nehmen aneinander, statt achtlos vorüberzugehen."

Einen besonderen Appell richtete Köhler an die Medien. Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass detaillierte Berichterstattung über die Täter, ihre Motive, ihre Planungen, ihre Vorgehensweise sowie Tatablauf, Kleidung und Waffen Nachahmer auf den Plan rufe. "Ich schließe mich deshalb dem Expertenrat der baden-württembergischen Landesregierung an: Wir brauchen klar definierte Berichterstattungsregeln, die gemeinsam mit den Medien erarbeitet werden; wir brauchen einen medienübergreifenden Pressekodex im Geist der Prävention", hob der Bundespräsident hervor.

APN
APN

PRODUKTE & TIPPS