Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat seinen gestorbenen Vorgänger Horst Köhler als "tatkräftigen und bis in die letzten Tage seines Lebens unermüdlichen Diener unseres Gemeinwesens" gewürdigt.
"Wir Deutsche trauern um Horst Köhler. Wir sind dankbar, dass er unter uns und für uns gewirkt hat. Wir vermissen ihn", sagte Steinmeier bei einem Staatsakt im Berliner Dom.
Nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten im Mai 2004 habe Köhler schnell "die Herzen der Deutschen gewonnen", sagte Steinmeier im Berliner Dom. Köhler habe "nicht viel Aufhebens um die eigene Person oder um das Amt" gemacht: "Ob es eben der Papst war oder die Mitarbeiter einer Obdachlosenhilfe (...) Er freute sich ganz einfach an anderen, auch daran, Lebensentwürfen und Denkweisen zu begegnen, die vielleicht nicht seine waren."
Steinmeier: Horst Köhlers Aufstiegsgeschichte "exemplarisch"
Steinmeier erinnerte daran, dass Köhlers Familie kurz nach dessen Geburt vor den vorrückenden Roten Armee aus Polen fliehen musste und dann jahrelang in Flüchtlingsunterkünften in Deutschland lebte. Steinmeier sagte, Köhlers Aufstiegsgeschichte sei vielleicht auch exemplarisch für die junge Bundesrepublik, die es möglich gemacht habe, dass "aus einem Flüchtlingskind" der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) und schließlich der Bundespräsident werden konnte.
Köhler war Anfang Februar im Alter von 81 Jahren gestorben. Steinmeier rief dazu auf, sein Vermächtnis zu bewahren. "Wenn wir heute dankbar sind für Horst Köhler und seinen Dienst an unserem Land, dann erkennen wir damit auch eine Verpflichtung: dieses Land in seinem Sinne zu bewahren und als höchst lebenswerten Ort auch für zukünftige Generationen zu erhalten."
Engagiert und konsequent: Das Leben von Horst Köhler in Bildern

Angela Merkel, Christian Wulff und Olaf Scholz unter den Trauergästen
Bei dem Staatsakt und einem vorausgegangenen Gottesdienst nahmen die Spitzen des deutschen Staates und zahlreiche Weggefährten Abschied von Köhler. Anwesend waren alle fünf Verfassungsorgane – neben Steinmeier auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sowie die Präsidenten von Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht, Bärbel Bas (SPD), Anke Rehlinger (SPD) und Stephan Harbarth.
Auch die früheren Bundespräsidenten Christian Wulff und Joachim Gauck sowie Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) waren in den Berliner Dom gekommen. Dort war auf den Stufen zum Altarraum der von einer Nationalfahne bedeckte Sarg mit dem Leichnam des Verstorbenen aufgebahrt.
Auch der frühere Präsident Österreichs sowie der ehemalige Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) erinnerten in oft bewegenden Worten an den Freund und Menschen Köhler.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!
Geschichte der Bundesrepublik: Erinnern Sie sich an alle Präsidenten?

(* Bei Präsidenten ruht die Partei-Mitgliedschaft.)
Köhler 2004 zum Bundespräsidenten gewählt – überraschender Rücktritt
Der ehemalige kenianische Präsident Uhuru Kenyatta würdigte Köhlers "beharrlichen, unermüdlichen Einsatz für die Entwicklung Afrikas". Er habe das Potenzial des Kontinents für nachhaltigen Fortschritt erkannt und als "praktisch erreichbares Ziel" gesehen.
Österreichs ehemaliger Bundespräsident Heinz Fischer betonte, Köhler habe wenn nötig auch "ein unbequemer Bundespräsident" sein wollen. Er erinnerte dabei an Köhlers Rücktritt kurz nach Beginn seiner zweiten Amtszeit im Mai 2010. Grund waren die Reaktionen auf ein Interview, in dem Köhler Auslandseinsätze der Bundeswehr auch zur Sicherung freier Handelswege befürworte. Fischer sagte: "Dieser Rücktritt hatte wohl mit den strengen Maßstäben zu tun, die Horst Köhler auch und gerade an sich selbst angelegt hat."

Köhler war 2004 zum neunten Bundespräsidenten gewählt worden. Er folgte auf den Sozialdemokraten Johannes Rau. 2009 bestätigte die Bundesversammlung ihn im Amt. Die zweite Amtszeit endete jedoch abrupt und völlig überraschend durch den Rücktritt Köhlers mit sofortiger Wirkung – ein bis dahin einmaliger Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik.
Dem Staatsakt schloss am Mittag mit einem militärischen Abschiedszeremoniell vor dem Dom. Danach fand auf Einladung Steinmeiers ein Trauerempfang im Berliner Rathaus statt.
Staatsakte sind in Deutschland selten und gelten als Ausdruck höchster Würdigung durch die Bundesrepublik. Den zuvor letzten Trauerstaatsakt gab es im Januar vergangenen Jahres für den verstorbenen CDU-Politiker Wolfgang Schäuble.