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Mordfall Metzler Frühestens nach 18 Jahren wieder frei

Der Mörder des elfjährigen Bankierssohns Jakob von Metzler muss lebenslang ins Gefängnis. Das Landgericht Frankfurt/Main stellte bei der Verkündung des Urteils gegen Magnus Gäfgen die besondere Schwere der Schuld fest.

Im Prozess um die Entführung und Ermordung des elfjährigen Bankierssohnes Jakob von Metzler hat das Frankfurter Landgericht hat den Angeklagten Magnus Gäfgen zu lebenslanger Haft verurteilt.

Außerdem stellte das Gericht am Montag eine besondere Schwere der Schuld fest und schloss damit aus, dass der 28-Jährige eine Chance auf eine Entlassung nach 15 Jahren Haft bekommt. "Magnus Gäfgen hat den Tod Jakobs nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern er hat Jakobs Tod gewollt", sagte der Vorsitzende Richter Hans Bachl in der Urteilsbegründung. Gäfgens Verteidiger hatte für eine Verurteilung mit besonderer Schwere der Schuld eine Verfassungsbeschwerde angekündigt, weil sein Mandant nach der Festnahme von der Polizei unter Gewaltandrohung zu einer Aussage gezwungen worden war. Gäfgen nahm das Urteil ohne sichtbare Regung zur Kenntnis.

Geständiger Mörder

Der ehemalige Jura-Student Gäfgen hatte eingeräumt, den elfjährigen Jakob im September 2002 nach der Schule entführt und danach erstickt oder erwürgt zu haben. Von der Bankiersfamilie Metzler versuchte er dann, eine Million Euro für die Freilassung des Kindes zu erpressen. Am Tag nach der Lösegeld-Übergabe wurde Gäfgen, der Jakob flüchtig gekannt hatte, festgenommen.

Gäfgen habe im Prozess nicht wie angekündigt ein umfassendes, schonungsloses Geständnis abgelegt, sondern erst Aussage um Aussage mehr preisgegeben, kritisierte Richter Bachl. Für den Angeklagten seien seine Ausflüchte in den ersten Aussagen vielleicht ein Krückstock gewesen, "für alle anderen aber eine Zumutung". Für eine reine Schwarz-Weiß-Malerei aber sei die Persönlichkeit des 28-Jährigen zu vielschichtig. Immerhin sei Gäfgens Bemühen um eine Auseinandersetzung mit der Tat zu sehen gewesen. Am Ende des Prozesses habe er für seine Handlungen wesentlich härtere Worte gefunden als zu Beginn.

Richter verwahrt sich gegen Vorwürfe

Zugleich verwahrte sich Bachl gegen Vorwürfe der Verteidigung, die eine Verurteilung mit besonderer Schwere der Schuld vehement abgelehnt und angedeutet hatte, das Gericht würde der Polizei damit einen Freibrief für das Foltern von Verdächtigen erteilen. "Mit den Folterandrohungen haben die beteiligten Beamten der Rechtsstaatlichkeit dieses Landes einen schweren Schaden zugefügt (...) Deren Verhalten aber hat mit der Schuld, die der Angeklagte auf sich geladen hat, nichts zu tun."

Gäfgens Verteidiger Hans Ulrich Endres hatte am Wochenende mit einer Verfassungsbeschwerde gedroht, falls eine besondre Schwere der Schuld festgestellt werden sollte. "Sollte Karlsruhe mir Recht geben, ist Magnus in drei Jahren frei und hat Anspruch auf eine Haftentschädigung", hatte Endres dem Magazin "Focus" gesagt. Es sei ein Skandal, dass der stellvertretende Frankfurter Polizeipräsident Wolfgang Daschner weiter im Amt sei, obwohl er mit der Androhung von Gewalt eine Aussage von Gäfgen habe erzwingen lassen. "Das war ein skandalöser Verfahrensfehler." Wenn die Richter Gäfgen für dessen Kooperation im Prozess kein Zugeständnis machten, sei dies ein Freibrief für alle Polizisten, mutmaßliche Täter künftig zu foltern, hatte Endres in seinem Plädoyer argumentiert.

Laufende Ermittlungen gegen zwei Polizei-Beamte

Daschner hatte eingeräumt, dass Gäfgen nach der Festnahme Gewalt angedroht worden war, um den Aufenthaltsort von Jakob herauszufinden. Die Polizei sei davon ausgegangen, dass der entführte Junge noch lebe und in Lebensgefahr schwebe, hatte er sein Vorgehen begründet. Noch ehe es zur Anwendung von Gewalt kam, habe Gäfgen das Versteck der Leiche des Jungen preisgegeben. Gegen Daschner und einen weiteren Beamten wird derzeit ermittelt.

In einem weiteren Fall wurden Ermittlungen gegen die Polizei wegen des Verdachtes auf Zeugenbedrohung unterdessen eingestellt. Die Eltern der minderjährigen ehemaligen Freundin Gäfgens hatten den Ermittlern vorgeworfen, ihr bei der Festnahme mit Vergewaltigung gedroht zu haben. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wiederholten sie diese Anschuldigungen in einer späteren Befragung jedoch nicht.

Lebenslange Haft und besondere Schwere der Schuld

Die lebenslange Haft ist die härteste Strafe im deutschen Strafrecht. Erkennt ein Gericht bei einem erwachsenen und voll schuldfähigen Angeklagten, dass er einen Mord begangen hat, kann es keine andere Strafe verhängen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf die lebenslange Haftstrafe aber nicht automatisch für das ganze Leben des Verurteilten gelten.

Aus diesem Grund sieht der nachträglich eingefügte Paragraf 57a des Strafgesetzbuches nach 15 Jahren Haft eine Chance für die Verurteilten vor. Wiederum ein Gericht entscheidet, ob der Rest der Strafe auf Bewährung ausgesetzt werden kann. Dabei sind eine günstige Sozialprognose des Verurteilten und keine weitere Gefährdung der Allgemeinheit die Kriterien.

Automatik bei besonderer Schwere der Schuld außer Kraft gesetzt

Diese Automatik nach 15 Jahren wird außer Kraft gesetzt, wenn im Urteil die besondere Schwere der Schuld festgestellt worden ist. Wie lange der Straftäter dann de facto in Haft bleiben muss, liegt in der Gewalt der Gerichte. Eindeutige Statistiken dazu gibt es nach Auskunft der Kriminologischen Zentralstelle Wiesbaden nicht. Die durchschnittliche Haftdauer von Lebenslangen liegt nach älteren Schätzungen bei etwa 20 Jahren, in Einzelfällen sitzen Gefangene bereits seit über 40 Jahren in Haft.

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