Silke hat sie alle gefunden. Susanne, Peter, Michael, die ganze Klasse ihrer alten Grundschule. Alle bis auf einen: Björn. Denn es gibt etwas an Björn, das macht die Suche nach ihm schwierig: sein Nachname lautet Schmidt. 22 Schüler waren sie damals, vier Jahre lang, von 1978 bis 1982, saßen sie jeden Vormittag im gleichen Klassenraum der St. Antonius Grundschule in Hamburg. Haben als Sechs- bis Zehnjährige zusammen das Einmaleins geübt, lesen und rechnen gelernt.
30 Jahre ist die gemeinsame Zeit her. Und nun will Silke wissen: Was wurde aus Michael, Susanne, Björn und den anderen. Also beschließt Silke, ein Klassentreffen zu organisieren.
"Ich habe immer versucht, alle zusammenhalten", erzählt sie. Aber Björn? "Der ist einfach weg gewesen." Nach der Grundschule gingen die beiden zusammen aufs selbe Gymnasium. Nach der fünften Klasse jedoch wechselte Björn die Schule. Seitdem hat ihn Silke nicht mehr gesehen und auch sonst keiner der alten Mitschüler. Niemand kennt seine Adresse, niemand erinnert sich an sein Geburtsdatum - Björn Schmidt bleibt ein Unbekannter.
Ist er es? Die Beschreibung stimmt
Heute müsste er 39 oder 40 Jahre alt sein, sonst weiß Silke nur Details, wenig davon ist jedoch tatsächlich hilfreich. Dass seine Eltern sich noch während der Schulzeit getrennt haben, seine Mutter Krankenschwester war. Ein alter Nachbar will Björns Vater im vergangenen Sommer noch einmal gesehen haben, er berichtete von einer Kneipe, in der der Vater manchmal war. Doch die hat schon lange geschlossen.
Silke hat Freunde abgefragt, Bekannte, am Ende sogar das Finanzamt angerufen. Wenn einer Daten hat, dann die, dachte sie. Wobei, so ganz legal sei das ja nicht, gibt sie zu. Sie schreibt an stern.de. Wir beschließen, Björn Schmidt gemeinsam zu suchen, geben uns zwei Wochen Zeit dafür. Und tatsächlich, nach einer Woche sieht es so aus, als haben wir ihn.
Ein Mann um die 40, er kommt ursprünglich aus Hamburg, wohnt nun im Umland. Alter und Geburtsdatum stimmen, vieles seiner Biografie passt auf den Gesuchten, Haarfarbe und Kopfform zu dem Kind auf dem Klassenfoto der vierten Klasse. Ein alter Arbeitgeber vermittelt die Handynummer. Wir rufen an, erklären das Anliegen, hoffen - doch Björn Schmidt ist nicht Björn Schmidt.
Klassenkameraden werden zu Facebook-Freunden
Aber kann das sein? Kaum jemand hinterlässt heute online keine Spuren. Doch Michael Müller, Stefanie Meyer oder Björn Schmidt zu heißen, scheint ein guter Datenschutz zu sein; Namen wie sie in einer Stadt wie Hamburg Tausende führen.
Wer nach den 2000ern seinen Abschluss gemacht hat, für den ist es fast schon normal, dass seine Klassenkameraden bleiben. Sie werden einfach zu Facebook-Freunden. Man verfolgt online, wenn Verena ihr Studium schmeißt, und wenn Benny nach Thailand reist, schaut man Urlaubsfotos. Selbst dann, wenn man mit beiden nie ein Wort gewechselt hat.
Portale wie Stayfriends haben es sich zudem zur Aufgabe gemacht, alte Klassenkameraden wieder zusammenzuführen. Millionen sind dort angemeldet und geben an, wo sie ihren Abschluss gemacht haben. Auf Seiten in den USA wie classmates.com finden sich alte Freunde wieder, die sich aus den Augen verloren haben. Der Junge, in den man in der Schule verschossen war, ist dort genauso wie die dicke Anne, die nun superschlank ist.
Doch Björn Schmidt findet man dort nicht. Vielleicht war er es doch am Telefon; sein Profil passte schließlich so gut. Doch warum sollte er lügen? Eine der alten Klassenkameradinnen hat Silke abgesagt. "Sie war immer ein bisschen Außenseiterin", sagt Silke, die sich über die Absage geärgert hat. Manche Wunden schmerzen wohl auch 30 Jahre später noch. Vielleicht ist Björn Schmidt auch ins Ausland gegangen, vielleicht heißt er gar nicht mehr Schmidt. Die Vielleichts sind es, die Klassentreffen so spannend machen. Die Frage "Was wurde eigentlich aus?" Silke wird weitersuchen, noch kommen zwei Kandidaten infrage. Also wieder anrufen, fragen, ob er es ist, hoffen, weitersuchen. Solange bis alle 22 zusammenkommen. Noch ist Zeit. Das Treffen ist für Herbst geplant.