Durch eine Klage gegen den US-Bundesstaat Indiana werden erneut Vorwürfen gegen Haftbedingungen in den USA laut. Der damals 29-jährige Joshua McLemore wurde am 20. Juli 2021 festgenommen. Drei Wochen später starb er in seiner Zelle. Die Todesursache: Dehydration und Unterernährung.
Am Mittwoch veröffentlichte seine Familie im Rahmen einer bundesweiten Bürgerrechtsklage gegen Jackson County neue Videoaufnahmen, die McLemore während seiner Haft zeigen. In der Klage werden der örtliche Sheriff, der Gefängnisdirektor und das medizinische Personal beschuldigt, McLemores Tod durch vorsätzliche Gleichgültigkeit, Vernachlässigung und verfassungswidrige Haftbedingungen verursacht zu haben, während er sich in einem Zustand der Psychose befand, das berichtet unter anderem der britische "Guardian".
USA: Mann mit Schizophrenie stirbt in fensterloser Zelle an Unterernährung
Die Aufnahmen zeigen McLemore nackt in einer kleinen, fensterlosen Zelle im Gefängnis von Jackson County. Im Raum befanden sich weder ein Bett noch eine Toilette und er war rund um die Uhr beleuchtet. In den Videos wirkt McLemore, bei dem im Vorfeld eine schizophrene Störung diagnostiziert wurde, verwirrt. Er redet zusammenhangslose Sätze und wälzt sich in seinen eigenen Exkrementen.
Der Klage zufolge soll er die gesamte Zeit in Isolationshaft verbracht haben. Seine Mahlzeiten bekam er über einen Schlitz in der Zellentür, er soll sie allerdings selten zu sich genommen haben. In den 20 Tagen bis zu seinem Tod soll er nur vier Mal menschlichen Kontakt gehabt haben, als Gefängniswärter ihn unter Zwang fesselten und ihn aus der Zelle zogen, um sie zu reinigen oder ihn zu duschen.
McLemore soll in der Haftzeit 45 Pfund (etwa 20 Kilogramm) abgenommen haben. Auf den Videoaufnahmen sieht er abgemagert aus. Medizinische Hilfe soll er aber nicht bekommen haben, so die Anklage.
McLemore war drogenabhängig und psychisch krank
Wie seine Familie erklärte, war McLemore bereits seit langer Zeit drogenabhängig und kämpfte mit psychischen Erkrankungen. Immer wieder sei er in stationärer psychiatrischer Behandlung gewesen. Am Tag seiner Verhaftung habe seine Mutter sich Sorgen gemacht, weil er nicht an sein Telefon ging. Also bat sie seinen Hausverwalter, nach ihm zu sehen. Dieser fand ihn nackt, verwirrt und zusammengekauert in seiner Wohnung und verständigte einen Krankenwagen.
Laut Klageschrift sei McLemore im Krankenhaus desorientiert und in einem "psychotischen Zustand" gewesen und gab an, Crystal Meth konsumiert zu haben. Als eine Krankenschwester ihn neben seinem Bett auf dem Fußboden fand und ihn ansprach, habe er sie an den Haaren gezogen. Ein Wachmann sei eingeschritten, habe ihn aufgefordert, sich wieder ins Bett zu legen und rief die Polizei.
Vier Beamte nahmen ihn fest, legten ihm Handschellen an und trugen ihn in seiner Unterwäsche aus dem Krankenhaus. In der Haftanstalt hätten die Polizisten den Registrierungsprozess für neu ankommende Häftlinge übersprungen. McLemore sei nicht medizinisch untersucht worden und stattdessen direkt in die "gepolsterte Zelle 7" gebracht worden. Nach vergeblichen Versuchen, ihm einen Kittel anzuziehen, ließen die Beamten ihn nackt auf einer dünnen Decke auf dem Boden der Zelle zurück, so die Anklageschrift. Auch zu diesem Zeitpunkt wirkt er verwirrt und desorientiert. Wie in den Filmaufnahmen zu hören ist, fragt er immer wieder "wo bin ich?"
Beamte öffnen seine Zellentür nach fünf Tagen zum ersten Mal
Zwar habe seine Zelle eine Tür zu einer Toilette gehabt, diese hätten die Beamten aber verschlossen gelassen, so die Klage weiter. Auf den neu veröffentlichten Videoaufnahmen ist zu sehen, wie sich McLemore in seiner Zelle erleichtert, wie er fäkalienverschmiert Styropor isst, Essen verschüttet, in die Kameras starrt, die Wände ableckt und immer wieder spontan lacht.
Am 25. Juli, fünf Tage nach seiner Verhaftung, öffneten die Beamten McLemores Zelle zum ersten Mal, wie das Filmmaterial zeigt. Als er nackt herauskam, warfen ihn drei Beamte zu Boden und zwangen ihn in eine Fesselungsvorrichtung mit einem engen Gurt, der seine Beine und Füße zusammenband und seine Hände hinter seinem Rücken festhielt, obwohl er kaum Widerstand leistete. In der Klage heißt es, er sei mehr als vier Stunden lang in dieser Zwangsjacke gefangen gewesen.
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Zwei Tage später betraten die Beamten erneut seine Zelle, fesselten ihn und schnallten ihn auf einen Rollstuhl, um ihn in die Dusche zu bringen. Dort sei er mit Wasser abgespritzt worden. Die Videos zeigen, wie zwei Angeklagte in diesem Fall – Rick Meyer, der gewählte Sheriff von Jackson County, und Chris Everhart, der Gefängnisleiter – daneben stehen. Diesen Vorgang wiederholten sie vier Tage später und ließen ihn anschließend acht Tage allein in seiner Zelle.
Rettungssanitäter stellen starke Dehydrierung und Nierenversagen fest
Am 8. August habe er weder sein Frühstück noch sein Mittagessen angerührt. Gegen 16 Uhr gaben die Beamte ihm eine Limonade, die er ohne Hilfe nicht trinken konnte, weil er zu schwach gewesen sei. Obwohl er kaum Reaktionen zeigte oder sich bewegte, sei kein Arzt gerufen worden. Kurz darauf sei er erneut in einem Rollstuhl zu einer Dusche gefahren worden.
Erst am Abend dieses Tages sei medizinisches Personal gerufen worden, das ihn umgehend in ein Krankenhaus einwies. Dort wurde festgestellt, dass McLemore an starker Dehydrierung, unzureichender Sauerstoffversorgung des Körpergewebes, Nierenversagen, eingeschränkter Gehirnfunktion und anderen katastrophalen Gesundheitsproblemen litt, so die Klage.
Ein Flugzeug brachte ihn in eine Spezialklinik in Ohio, wo er ins Koma fiel und zwei Tage später starb. Ein Gerichtsmediziner führte "multiples Organversagen aufgrund der Weigerung zu essen oder zu trinken mit verändertem Geisteszustand aufgrund unbehandelter Schizophrenie" an.
Familie hofft auf Signalwirkung des Prozesses
Hank Balson, der Anwalt der Familie, sagte: "Es gab eine gefühllose Gleichgültigkeit gegenüber seiner Menschlichkeit und Würde. Einige der Bedingungen, denen Josh ausgesetzt war – ständige Isolation, seine Zelle wurde 24 Stunden am Tag beleuchtet, Schlafentzug – das sind Dinge, die wir mit Folter in Verbindung bringen."
McLemores Tod rückt erneut die medizinische Vernachlässigung, insbesondere von psychisch Erkrankten in Amerikas Gefängnissen in Licht. Mehr als 400.000 Menschen sitzen in US-Gefängnissen ohne Verurteilung.
Lita Ladner, McLemores Tante, nannte die Behandlung durch das Gefängnis in einer Erklärung "grausam und sinnlos". "Hoffentlich wird diese Klage Jackson County und andere Bezirke dazu zwingen, die Menschen in ihren Gefängnissen mit Menschlichkeit zu behandeln – insbesondere Menschen, die an psychischen Krankheiten leiden."
Quellen: The Guardian, USA Today, HuffPost, Anklageschrift