Al-Tawhid-Terrorprozess Verurteilter türmt aus Gerichtssaal

Bei der Urteilsverkündung im Düsseldorfer Terrorprozess ging es turbulent zu: Einer der Verurteilten stürmte aus dem Saal, die anderen Angeklagten unterbrachen lautstark den Richter.

Beim Abschluss des Düsseldorfer Terror-Prozesses haben sich turbulente Szenen abgespielt: Nachdem das Oberlandesgericht die vier Angeklagten wegen Planung islamistischer Anschläge in Deutschland zu hohen Haftstrafen verurteilt hatte, drängte sich einer von ihnen bei der Urteilsbegründung trotz enormer Sicherheitsmaßnahmen an vier Justizbeamten vorbei und stürmte zeternd aus dem Saal in die Nebenräume des Hochsicherheitstrakts. Zuvor hatte das Gericht die Angeklagten mehrfach ermahnt, da sie die Verkündung lautstark kommentierten.

An Händen und Füßen gefesselt, wurde Aschraf al D. wieder in den Saal getragen und dann von der Urteilsverkündung ausgeschlossen. Zwei weitere Verurteilte mussten den Saal verlassen, weil sie lautstark eine Verhandlungspause für ihre Gebete forderten. Der Staatsschutzsenat sah es in seiner Urteilsbegründung als erwiesen an, dass drei Palästinenser im Auftrag des Top-Terroristen al Sarkawi eine deutsche Zelle der terroristischen Vereinigung al Tawhid gebildet und Anschläge in Berlin und Düsseldorf vorbereitet hatten.

Dafür muss der mutmaßliche Zellen-Chef Abu D. nach dem Urteil acht Jahre hinter Gitter, Aschraf al D. siebeneinhalb Jahre und Ismail S. sechs Jahre. Der vierte Angeklagte, der Algerier Djamel M., wurde wegen Unterstützung der Vereinigung zu fünf Jahren Haft verurteilt. Er soll sich um die Beschaffung von Waffen für die Anschläge bemüht haben.

Im Zentrum des Verfahren stehe "der Schrecken dieser Zeit - der islamistische Terrorismus", sagte der Vorsitzende Richter Ottmar Breidling. Der Sache nach habe auch der weltweit gesuchte Top-Terrorist Abu Mossab al Sarkawi als eigentlicher Kopf der Terrorzelle auf der Düsseldorfer Anklagebank gesessen. Sarkawi hat die deutschen Zellen-Mitglieder den Erkenntnissen des Senats zufolge massiv zu Anschlägen in Deutschland gedrängt.

Breidling betonte die "besondere Gefährlichkeit" der deutschen Zelle. Die Verurteilten seien "fanatische Personen", die bereit gewesen seien, "zur Begehung von Anschlägen große persönliche Risiken einzugehen". Als Ziele hatten sie ein jüdisches Gemeindezentrum in Berlin sowie ein Billardlokal und eine Discothek in Düsseldorf ins Auge gefasst, die sie für jüdische Einrichtungen hielten.

Dass es trotz der Bemühungen der vier Verurteilten nicht zu einem oder mehreren Anschlägen in Deutschland kam, ist laut Breidling der "nicht hoch genug einzuschätzenden Wachsamkeit" von Bundesnachrichtendienst, Verfassungsschutz, Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt zu verdanken. "Wäre die Zelle unentdeckt geblieben, hätten die geplanten Anschläge eine Vielzahl von Menschen in den Tod reißen können."

Im Mittelpunkt des 136-tägigen Prozesses stand die Aussage des so genannten Kronzeugen Shadi Abdalla, der nach eigenen Angaben einst Leibwächter des Terroristenführers Osama bin Laden war. Das in einem vorangehenden Prozess zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilte al-Tawhid-Mitglied hatte ausführlich gegen seine Mitverschwörer ausgesagt.

"Nach der umfangreichen Beweisaufnahme sollten auch die letzten Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen verschwunden sein", sagte Breidling. Der Vorsitzende bekräftigte seine Forderung nach einer Wiedereinführung der Kronzeugenregelung, die er bereits im ersten al-Tawhid-Urteil erhoben hatte. Auch der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hartmut Koschyk, schloss sich der Forderung an. Der Düsseldorfer Prozess zeige deutlich die "Unverzichtbarkeit einer effektiven Kronzeugenregelung".

Massive Kritik übte der Vorsitzende Richter an der Umsetzung des Ausländer- und Einwanderungsrechts: "Beide al-Tawhid-Prozesse hätten nicht stattfinden müssen, wenn das Ausländerrecht konsequent angewendet worden wäre." Der Kronzeuge und der Hauptangeklagte seien in der Lage gewesen, "unter falschem Namen und mit erfundener Lebensgeschichte" ein Bleiberecht mit Anspruch auf staatliche Unterstützungsgelder zu erhalten. Für den Senat stelle sich ernsthaft die Frage, ob die Männer nicht frühzeitig hätten abgeschoben werden müssen. "Deutschland wäre damit von einer ernst zu nehmenden Anschlagsgefahr verschont geblieben."

AP
Nicole Lange/AP

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