Der Amokläufer von Virginia war der 23-jähriger Südkoreaner Cho Seung Hui, der seit 1992 in den USA lebte. Er besaß eine Green Card und lebte somit legal dauerhaft im Land. Als Heimatadresse gab er einen Vorort von Washington an, wo er auch aufwuchs. Der Englischstudent wurde laut den Einwanderungsunterlagen der Behörde für Heimatsicherheit am 18. Januar 1984 geboren. Nach Angaben der Universität lebte er in einem Studentenwohnheim auf dem Campus - einem anderen Wohnheim als dem von ihm überfallenen.
Die wenigen Kommilitonen, Lehrer und Dozenten, die Cho kannten, beschrieben ihn als zurückgezogen und eigenbrötlerisch: "Er war ein Einzelgänger, und wir haben Schwierigkeiten, Informationen über ihn zu bekommen", sagte Unisprecher Larry Hincker. Ähnlich Chos Nachbar Abdul Shash: "Er war sehr ruhig und immer allein." Ein anderer Nachbar berichtet, der Südkoreaner habe in seiner Freizeit zumeist Basketball gespielt. Anderen Menschen gegenüber habe er oft unbeteiligt gewirkt. Wenn ihn jemand gegrüßt habe, habe er nicht reagiert.
Mitstudenten berichteten, am ersten Tag eines Literaturseminars hätten sich alle Teilnehmer vorgestellt, nur Cho habe nichts gesagt. Der Professor habe daraufhin auf der Anwesenheitsliste nachgesehen, wo alle Studenten ihren Namen eingetragen hatten. Cho habe dort nur ein Fragezeichen gemacht. "Ist Ihr Name 'Fragezeichen'?", habe der Professor gefragt, erinnerte sich die Studentin Julie Poole. Cho habe darauf kaum reagiert. "Wir kannten ihn eigentlich nur als den Fragezeichen-Typen."
Warnsignale vor der Bluttat
Unterdessen mehren sich die Hinweise, dass es vor der Bluttat viele Warnsignale gab. Im vergangen Herbst schrieb der 23-jährige in einem Uni-Kurs Theaterstücke, deren gewaltsamer Inhalt Professoren und Studenten erschreckte. Seine Figuren griffen andere mit Kettensägen an und warfen Hämmer, wie ein Mitschüler berichtete. Chos Stücke wirkten mit ihrer "perversen, makabren Gewalt" bisweilen "wie aus einem Alptraum", schrieb der Ex-Student Ian MacFarlane in einem Blog. Cho habe den Einsatz von Waffen beschrieben, die er sich selbst nicht einmal hätte vorstellen können. AOL News hat zwei Stücke in Netz gestellt.
Die Leiterin der Fakultät für Englisch an der Technischen Hochschule in Blacksburg, Carolyn Rude, erklärte, die Direktorin der Fachschaft Kreatives Schreiben habe ihn als "mit Problemen belastet" beschrieben. Cho sei an den psychologischen Dienst verwiesen worden. Wann und mit welchem Ergebnis dies geschehen sei, wisse sie nicht. "Er hat Anlass zur Sorge gegeben", so Rude. "Beim kreativen Schreiben enthüllen Menschen manchmal Dinge, von denen man nicht weiß, ob sie sie sich ausdenken oder ob sie vielleicht wahr sein könnten. Aber wir achten alle darauf, solche Dinge nicht zu ignorieren."
Seine Englisch-Professorin, Lucinda Roy, sagte dem Sender CNN, sie sei besorgt wegen seines Zorns gewesen und habe ihn aus einer Klasse genommen und einzeln unterrichtet. Dies sei vor rund eineinhalb Jahren gewesen.
Feuer im Wohnheimzimmer gelegt
In letzter Zeit soll der Amokläufer zudem ein beunruhigendes Verhalten an den Tag gelegt. Beispielsweise habe er in einem Zimmer eines Wohnheims Feuer gelegt und Frauen nachgestellt. Die Ermittler glaubten, dass Cho zu einem gewissen Zeitpunkt Medikamente gegen Depressionen genommen habe, berichteten eine US-Zeitung.
Die Zeitung "The Chicago Tribune" schreibt auf ihrer Website, Cho habe in seinem Zimmer ein Schreiben hinterlassen, das unter anderem eine weitschweifige Liste von Klagen enthalten habe. Darin habe er sich unter anderem über "reiche Kids", Prasserei und "betrügerische Scharlatane" beschwert. Der Fernsehsender ABC berichtete unter Berufung auf Ermittler, in dem mehrseitigen Schreiben habe Cho seine Tat erklärt. "Ihr habt mich dazu gebracht, dies zu tun", heiße es darin. Die Polizei dementiert allerdings die Existenz eines Abschiedsbriefs, zumindest hat sie bislang keinen gefunden. Es gebe keine Beweise, dass der 23-jährige ein derartiges Schreiben hinterlassen habe, sagte Polizeipräsident Steve Flaherty. Jedoch müssten sich die Ermittler durch eine beträchtliche Anzahl von Schriftstücken arbeiten.
Über seine Motive wurde weiter gerätselt. Das wirklich ein Liebesdrama der Auslöser für die Tat war, wie berichtet wurde, erscheint angesichts der eigenbrötlerischen Art von Cho unwahrscheinlich. Die "Washington Post" berichtete unter Berufung auf Ermittler, dass der Todesschütze den Namen "Ismail Ax" mit roter Tinte auf einen seiner Arme geschrieben hatte. Die Bedeutung der Worte sei noch unklar.
Fingerabdrücke auf den Waffen gefunden
Sicher ist bislang: Chos Fingerabdrücke wurden auf zwei Schusswaffen gefunden, die bei dem Amoklauf benutzt wurden, hieß es aus Polizeikreisen. Ihre Seriennummer sei entfernt worden. Ballistische Untersuchungen ergaben, dass eine der beiden Waffen an beiden Tatorten - einem Studentenwohnheim und einem Vorlesungsgebäude - benutzt wurden. In einem Rucksack Chos seien Quittungen vom März für den Kauf einer 9-Millimeter-Pistole vom Typ Glock gefunden worden, hieß es aus Sicherheitskreisen. Mit seinem Status als legal dauerhaft in den USA wohnender Ausländer habe er das Recht gehabt, eine Pistole zu kaufen, sofern er keine Vorstrafe hatte, sagte ein Beamter der Einwanderungsbehörde.