In Hessen ist ein neuer Ärzte-Bestechungsskandal bekannt geworden. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt bestätigte am Dienstag einen Bericht des Bielefelder "Westfalen-Blatt", wonach rund 500 Mediziner Geld und geldwerte Vorteile von einem südhessischen Medizinproduktehersteller erhalten haben sollen. Auch die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt in zwei schon länger andauernden ähnlichen Verfahren.
Luxusreisen und Golfmittage
Die Ärzte hätten sich von dem Unternehmen, das auf Hilfsmittel für Gefäßchirurgie spezialisiert ist, unter anderem teuere Reisen, Übernachtungen in Luxushotels und Golfnachmittage bezahlen lassen, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Darmstadt, Ger Neuber. Da einige der Taten bereits verjährt seien, werde derzeit gegen 350 Mediziner ermittelt. In diesen Fällen liege der Tatzeitraum zwischen 1997 und 2002.
Die Ermittlungen laufen bereits seit zwei Jahren, wurden aber erst jetzt bekannt. Einige der Beschuldigten hätte auf Kosten der Firma Kongresse besucht und sich im Anschluss Urlaubsaufenthalte bezahlen lassen. In Einzelfällen seien Medizinern ganze Luxussuiten in Nobelhotels bezahlt worden. Auch direkte Geldsummen bis zu 20.000 Euro seien geflossen. Im Gegenzug sei von den Ärzten erwartet worden, das sie sich in ihren Kliniken für den Kauf der Produkte des südhessischen Herstellers einsetzten.
Firmenmitarbeiter packte aus
Betroffen seien angestellte Ärzte in kirchlichen und kommunalen Krankenhäusern sowie Unikliniken aus dem gesamten Bundesgebiet, sagte Neuber. Die Staatsanwaltschaft ermittelt darüber hinaus gegen mehrere Verantwortliche der Firma wegen des Verdachts der Bestechung. Ins Rollen gekommen seien die Ermittlungen durch die Angaben eines Firmenmitarbeiters.
Wertlose Studien
Auch bei der Staatsanwaltschaft München laufen derzeit zwei ähnliche Ermittlungsverfahren gegen Pharmaunternehmen. So werde seit 2003 gegen rund 20 deutsche Mitarbeiter des internationalen tätigen Pharmakonzern Fujisawa und mehr als 70 Mediziner ermittelt, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Anton Winkler. Das Unternehmen wird verdächtigt, Ärzte unter anderem durch Bezahlung von wissenschaftlich wertlosen Studien und Anwendungsbeobachtungen Schmiergeld bezahlt zu haben. Ebenso sollen sich auch hier kostenlose Kongressveranstaltungen als Vergnügungsreisen entpuppt haben.
Das Unternehmen steht im Verdacht, mit Bestechung und Vorteilsgewährung den Absatz eines Medikamentes zur Unterdrückung von Abstoßreaktionen nach Nieren- und Lebertransplantationen gefördert zu haben. Der Korruptionsverdacht richtet sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft gegen Ärzte von Transplantationszentren in München, Stuttgart, Bonn, Hannover, Hamburg, Münster und Berlin. Die Behörde hatte bereits im Juli vergangenen Jahres über die Durchsuchungsaktion berichtet. "Seitdem gibt es nichts Neues, die Ermittlungen dauern an", sagte Winkler.
Betriebsausflug auf Unternehmenskosten
Ebenso ermittelt die Staatsanwaltschaft seit Frühjahr gegen die Münchner Zentrale der Pharmafirma Bristol-Myers Squibb (BMS). Aufgekommen war der Verdacht, nachdem das Unternehmen einem Arzt einen Schifffahrtsausflug für dessen komplette Belegschaft bezahlt habe. Das "Westfalen-Blatt" zitierte einen Polizei-Ermittler, wonach dieses Verfahren jedoch ein ähnliches Ausmaß annehmen könnte, wie der 2002 bekannt gewordene Bestechungsskandal des Pharmakonzerns SmithKline, der zu Verfahren gegen bundesweit rund 4000 Ärzte geführt hatte.