Brandserie auf Sylt "Nur ein Kranker macht so etwas"

  • von David Weyand
Eine unheimliche Brandserie versetzt die Sylter in Angst und Schrecken. Der Täter will offenbar unbedingt Menschen verletzen. Doch was ist sein Motiv? Die Polizei tappt auch nach mehr als einem Dutzend Feuern immer noch im Dunkeln.

Für viele ist Sylt die schönste Insel Deutschlands. Hunderttausende Menschen machen hier jedes Jahr Urlaub, sie suchen die Frische des Meeres, erhoffen sich ein wenig Erholung von der Hektik des Alltags. Weite Strände, idyllische Dünen, schmucke Friesenhäuschen: Auf Sylt kann man wunderbar die Seele baumeln lassen.

Doch seit einer Woche ist es mit der Ruhe auf der Nordseeinsel vorbei. Eine unheimliche Brandserie versetzt Insulaner und Besucher in Angst und Schrecken. Es begann am vergangenen Donnerstag: In der Nacht brach ein Feuer im Keller eines Appartmenthauses in Westerland aus, 31 Menschen mussten evakuiert werden. Ein paar erlitten eine Rauchvergiftung, aber ernsthaft verletzt wurde keiner. Da machte sich noch niemand Gedanken darüber, dass dieser Brand der Auftakt für eine schreckliche Serie gewesen sein könnte.

Horrornacht mit Millionenschaden

Drei Tage später erlebte Sylt eine wahre Horrornacht. Innerhalb von wenigen Stunden gingen ein Schuppen, ein Akademie-Gebäude, ein Vier-Sterne-Hotel und ein Pflegeheim in Flammen auf. Außerdem brannten mehrere Müllcontainer. Alle Feuerwehrleute der Insel, rund 300, waren die ganze Nacht über im Einsatz, 400 Menschen mussten in Sicherheit gebracht werden. Die Bilanz der Nacht: vier Verletzte und ein Schaden in Millionenhöhe. Doch damit nicht genug: Dienstagnacht brachen erneut Feuer aus, im Keller einer Klinik und in einem Gartenhaus, zudem brannte ein Carport. Diesmal konnte die Feuerwehr größere Schäden vermeiden.

Nun zittert die ganze Insel, welche Gebäude die Feuer als nächstes treffen, ob es womöglich bald zu Schwerverletzten oder gar Toten kommt. Noch sind die Brandursachen zwar nicht geklärt. Aber so viele Feuer in so kurzer Zeit – das kann kein Zufall sein. Blitzeinschläge waren es jedenfalls nicht, so viel ist klar. Die meisten Sylter sind sich sicher: Hier ist ein irrer Pyromane am Werk.

Was führt der Feuerteufel im Schilde? Will er die Touristen vertreiben? Ist es Neid auf die Reichen oder eine Art politischer Protest gegen die High Society? Ist es ein enttäuschter Bürger, der sich an der Gemeinde rächen will? Oder steckt gar nichts weiter dahinter außer der puren Lust am Zündeln? Gibt es womöglich inzwischen Trittbrettfahrer?

"Nur ein Kranker macht so etwas“, sagt Katrin Fifeik, Bürgermeisterin der Sylter Gemeinde Wenningstedt-Braderup, zu stern.de. „Und wer so eine Krankheit hat und nicht zum Arzt geht, der ist ein Verbrecher und gehört in den Knast." Was den oder die Täter von Sylt von den gewöhnlichen Pyromanen unterscheidet: Er will offenbar gezielt Menschen verletzten. Besonders gefährlich hätte der Brand im Pflegeheim der Arbeiterwohlfahrt (Awo) werden können. Die gebrechliche Senioren hätten sich nicht selber retten können, sie hatten Glück, dass ein Mitarbeiter den Brand rechtzeitig entdeckte. Auch die Feuer auf das Appartmenthaus, das Hotel, die Akademie und die Klinik scheinen bewusst gewählte Ziele - mit möglichst vielen Menschen, die im Schlaf überrascht werden sollen.

Polizei gründet Ermittlungsgruppe

Die Polizei hat nun eine eigene Ermittlungsgruppe für die Sylter Feuer gegründet: Acht Experten der Kriminalpolizei aus Flensburg, Niebüll und Husum sowie des schleswig-holsteinischen Landeskriminalamtes unterstützen die Polizei auf Sylt bei den Ermittlungen und der Spurensicherung. Insgesamt seien es knapp zwei Dutzend Ermittler, die Brandorte absuchten und Zeugen befragten, sagte die Husumer Polizeisprecherin Kristin Strielow. DNA-Spuren wurden bereits an den Tatorten gefunden.

Offenbar gibt es Berichte mehrerer Augenzeugen, die an unterschiedlichen Brandorten verdächtige Personen gesehen haben wollen. "Jedem Hinweis wird nachgegangen, wir haben aber noch keinen Tatverdächtigen", sagte die Sprecherin der Polizei. Ob es jetzt mehr nächtliche Streifen auf Sylt geben werde, will sie aus Ermittlungsgründen nicht bestätigen.

Obwohl vergangene Woche auch Autoreifen von 40 Nobelkarossen zerstochen wurden, glaubt Petra Reiber, Bürgermeisterin der Gemeinde Sylt, nicht an einen politischen Hintergrund der Taten. Es habe in der Geschichte der Insel schon häufiger solche Brandserien gegeben. Einen Zusammenhang mit dem Ruf Sylts als Insel der Reichen und Schönen sieht sie nicht. Seit langem gibt es Kritik von alteingesessenen Inselbewohnern über unbezahlbare Mieten und Grundstückspreise. Viele Promis besitzen auf Sylt Häuser und treiben die Kosten in die Höhe.

Derweil rief Reiber die Menschen im Radio zu mehr Wachsamkeit auf. Auch die Feuerwehren der Insel mit bis zu 500 Freiwilligen stünden in erhöhter Alarmbereitschaft. Doch beruhigen wird das die meisten Menschen auf der Nordseeinsel nicht – zu oft schon hat der Feuerteufel erfolgreich zugeschlagen. "Manche Unternehmer lassen ihre Gebäude ab sofot von privaten Sicherheitsfirmen bewachen", weiß Bürgermeisterin Reiber.

Brandexperten erstellen zurzeit ein Gutachten. Bis Ende der Woche soll es fertig sein. Dann soll es wenigstens Klarheit über die Brandursachen geben.

mit DPA

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