Doppelmord in Tessin "Die sind völlig abgedreht"

Direkt nach dem Doppelmord in Tessin nahmen die beiden Täter eine Geisel: Eyleen, 15. Bei stern TV hat das Mädchen erstmals öffentlich über die grauenhafte Nacht gesprochen. "Nach der Tat wollten sie Karten spielen", sagt Eyleen im Interview.

Wie gut warst Du mit den beiden Tätern vor der Tatnacht befreundet?

Ich kenne sie schon seit vielen Jahren, aber eng befreundet waren wir nicht. Der eine, Felix, ist der Bruder von meiner Freundin.

Am Samstagabend habt ihr euch mit anderen draußen getroffen. In einem Schuppen, wo Du mit den beiden allein warst, kippte dann die Stimmung?

In dem Schuppen hat mich Torben gepackt. Ich habe mich losgerissen, habe das zunächst nicht ernst genommen. Sie haben mich mit Kabelbindern gefesselt, ich habe mich wieder losgebunden. Dann nahmen sie Paketband, fesselten mich an Händen und Beinen und verbanden mir die Augen, so dass ich nichts mehr machen konnten. Felix hatte ein Messer, sagte: "Gut scharf, bleib schön ruhig, wir sind gleich wieder da."

Hast Du da gemerkt: Das ist jetzt kein Spaß mehr?

Als sie mich alleine im Schuppen gelassen haben, dachte ich: "Die kommen bestimmt wieder, die wollen mir nur Angst machen, das ist Spaß."

Aber dann brachten die Jungen Dich zum Tatort.

Torben kam wieder, hat mir die Beine losgebunden und mich zum dem Haus gebracht. Ich hielt das alles immer noch für einen Scherz - bis ich dort gesehen hatte, was passiert war. "Glaubst Du uns jetzt? Der Mann ist tot", sagten sie, weil ich sie vorher nicht ernst genommen hatte. Ab dem Moment hatte ich keine Empfindung mehr, hatte an nichts gedacht, nur dagestanden.

Was geschah, als die Polizei eintraf?

Ein Polizist klopfte an der Tür, er konnte den toten Mann nicht sehen. Felix rief: "Wir haben eine Geisel!" Daraufhin zog sich die Polizei zurück. Die beiden klauten das Auto der Familie, Torben konnte fahren.

Die Flucht ging nur 100 Meter weit, dann umstellte die Polizei das Auto und versuchte, Deine Geiselnehmer zum Aufgeben zu bewegen. Wie hast Du die Situation erlebt?

Im Auto war zunächst eine fast entspannte Atmosphäre. Man konnte sich mit den beiden unterhalten wie früher, sie wollten Karten spielen. Dann sprachen sie immer mehr über die Tat, wie es sich anfühlte, jemanden umzubringen. "Hat sich ganz leicht angefühlt," sagten sie, "kein besonderes Gefühl, wie bei einer Schlägerei." Ich fragte immer wieder: warum, warum diese Familie? Ich habe es auf die Psychotour versucht. Felix sagte: "Ihr habt mich nie ernst genommen." Kurz überlegten sie, ob sie Selbstmord begehen sollten, aber Torben wollte das nicht.

Hast Du eine Erklärung für diese unfassbare Tat? Hältst Du die beiden für unzurechnungsfähig?

Ich denke nicht, dass Torben und Felix krank sind. Ich würde sagen, an dem Abend sind die völlig abgedreht. Die haben die Realität verloren, was gut und was böse ist.

Interview: Richard Jürgens, Sönke Wiese

PRODUKTE & TIPPS