"Ja, ich wollte mir selbst das Leben nehmen. Aber ich hätte ihm nie etwas antun können." Unter anderem mit Angaben über einen Selbstmordversuch aus enttäuschter Liebe hat sich eine Geschichtsstudentin aus Hannover vor einem schwedischen Gericht gegen den Vorwurf des zweifachen Kindesmordes verteidigt. Die 32-Jährige bestritt am vierten Verhandlungstag in Köping, die beiden ein und drei Jahre alten Kinder der neuen Lebensgefährtin ihres Ex-Freundes mit Hammerschlägen getötet und die Mutter schwer verletzt zu haben.
Als Motiv nimmt die Staatsanwaltschaft Eifersucht an. Die Deutsche hatte sich 2006 im Urlaub auf Kreta in einen Schweden verliebt, der die Beziehung jedoch beendete und später mit der Mutter der beiden getöteten Kinder zusammenzog. Die 23 Jahre alte Frau hatte die Hannoveranerin vor Gericht als Täterin identifiziert und dabei gesagt: "Ich bin mir sicher."
Ruhiger und überlegener Eindruck
Bei ihrer mit Spannung erwarteten Aussage auf Deutsch machte die dunkel gekleidete, hochgewachsene und schlanke Angeklagte einen überwiegend ruhigen und meist auch überlegten Eindruck. "Es kam schon sehr überraschend, dass er mit mir Schluss gemacht hat. Und es hat mich völlig aus der Bahn geworfen", sagte die Studentin. Sie berichtete von einem Selbstmordversuch nach ihrem Umzug nach Schweden 2007. Vor Schloss Gripsholm in Mariefred habe sie in einem Auto flüssiges Schlafmittel genommen.
Für den Mordtag am 17. März bestätigte die dunkelhaarige Deutsche, dass sie von Stockholm aus in die Kleinstadt Arboga fuhr, in der ihr Ex-Freund mit seiner neuen Gefährtin und deren beiden Kindern Max, 3, und Saga, 1, lebte. "Dort ging ich zu Fuß zu einem archäologischen Ausgrabungsplatz, der Halvardsborg. Das dauerte ungefähr eine Stunde." Danach sei sie per Bahn direkt wieder in die schwedische Hauptstadt gefahren, sagte die Angeklagte.
Mordwaffe und DNA-Spuren fehlen
Während die Polizei der Studentin den Aufenthalt in Arboga durch Aufnahmen von der Videoüberwachung am Bahnhof nachweisen konnte, fehlen technische Beweise wie die Mordwaffe oder übereinstimmende DNA vom Tatort. Die nach dem Anschlag zehn Tage bewusstlose Mutter der Kleinkinder, einzige Augenzeugin des Doppelmordes, erkannte in der Deutschen die Täterin. Allerdings wurde ihre Aussage durch vom Gericht bestelltes Spezialisten für Gedächtnisverlust als nur bedingt glaubwürdig eingestuft.
Nach der Aussage der Angeklagten sollen bis zum 19. August vor Gericht noch 56 Zeugen vernommen werden. Dabei geht es vor allem um das Verhältnis zwischen der Hannoveranerin und ihrem zeitweiligen Freund. Die Deutsche verweigerte vor Gericht jede Aussage zu ihrer Behauptung gegenüber dem schwedischen Ex-Freund, dass sie als Folge der Liebesbeziehung ein Kind zur Welt gebracht habe. "Das ist privat", sagte sie.
Parallelen zum Palme-Prozess
Schwedische Prozessbeobachter erklärten, dass das Verfahren bisher verblüffende Parallelen zur juristischen Aufarbeitung des Mordes an Schwedens Ministerpräsident Olof Palme 1986 aufweise. Drei Jahre nach der Tat wurde der Kleinkriminelle Christer Pettersson in zweiter Instanz vom Mordvorwurf freigesprochen, weil das Gericht die Identifizierung durch Palmes Witwe Lisbeth verwarf. Andere technische Beweismittel fehlten. Pettersson blieb bis zu seinem Tod 2004 auf freiem Fuß.